Engel auf Abwegen
Mutter war noch nicht da, und ich machte mir Sorgen, dass sie dieser Party absichtlich fernblieb.
»Frede«, flüsterte Nikki aufgeregt, »es ist einfach schrecklich. Ich weiß, dass alle gehen wollen. Du musst etwas tun!«
Was sollte ich tun? Ich hatte in einer halben Stunde mehr geredet und gelächelt als in meinem ganzen Leben. Obwohl ich sie nicht im Stich lassen wollte … schließlich benötigte ich noch fünf weitere Sponsoren.
»Okay, ich werde sehen, was ich tun kann.«
»Vielen Dank! Ich sage Maria, dass sie noch eine Kanne Tee und Gurkensandwiches bringen soll.«
»Das ist eine gute Idee.«
Ich ging zu Leticia und stellte ihr eine Frage zu den Rosen, die sie für den jährlich stattfindenden Rosenwettbewerb des Gartenvereins anmeldete. Sie gab mir eine ziemlich lakonische Antwort. Ich versuchte, mit Olivia und Leticia über ein neues Porzellanmuster zu reden, das Tiffany & Co. soeben auf den Markt gebracht hatten. Aber sie murmelten nur etwas davon, dass es ihnen nicht gefiel. Ich erlaubte mir sogar, fragwürdige Komplimente über die Kleidung der Zwillinge zu machen. Aber niemand
biss an oder sprudelte vor Konversationsfreudigkeit über.
Es war Nikki, die die Runde schließlich zum Reden brachte, als sie mit den Hausmädchen im Schlepptau wieder auftauchte. Sie erkundigte sich bei Mara nach deren Kind. Es war eine einfache Frage. »Haben Sie Kinder?«
Und Mara erzählte von ihrem Sohn, der soeben in die renommierte Brookdale-Vorschule aufgenommen worden war. Die Zwillinge hörten neugierig zu, denn sie hofften, dass auch ihre Kinder bald in diese exklusive Schule aufgenommen würden. Und wer wusste schon, dass auch die Kinder von Olivia und Leticia in diesen altehrwürdigen Mauern gewesen waren?
Eine einzige Frage an eine Frau, die ihr altkluges Kleinkind betraf, reichte aus, und die Gruppe brach in eine Diskussion aus, als wären sie Freundinnen, die sich lange nicht mehr gesehen hatten.
Und dann geschah das Unfassbare. Olivia fragte, ob sie durch das Haus geführt werden konnten. Sie fragte einfach so, als wäre das völlig normal.
»Ja, ja!«, stimmte Leticia zu und hob ihren Kristallbecher mit süßem Tee. »Eine Führung.«
Ich war so perplex, dass mir schwindlig wurde. Nikki hatte einen Weg gefunden und erreicht, dass sich die Frauen öffneten. Sie hatte sie praktisch zu ihren besten Freundinnen gemacht. Und das alles, weil sie über Kinder gesprochen hatten.
»Wenn du willst«, sagte Nikki.
Ich versuchte, eine abwehrende Handbewegung zu machen, aber die Frauen waren bereits losgegangen. Ich hatte keine andere Wahl, als ihnen zu folgen. Ich durchsuchte mein Gehirn, um eine mögliche Erklärung für die Geschmacklosigkeit,
die uns bald begegnen würde, zu finden.
Nachdem wir ein oder zwei Zimmer besichtigt hatten, warf ich das Handtuch. Mir war es egal, was sie sich anschauten oder ob die Party zum gesellschaftlichen Desaster des Jahres wurde. Ich, die immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestanden und alles für die perfekte Party geplant hatte, machte mir keine Gedanken mehr darüber, was die Damen der League vom Grout-Palast hielten. Ich aß mein Sandwich, trank meinen Tee und folgte ihnen und Nikki, unserer Fremdenführerin, wie ein Besucher des Dallas Metropolitan Museum of Art.
Die Mädchen sahen alles: den African Safari Room mit dem Zigarre rauchenden Howard, der gerade etwas ins Telefon bellte (und einen Westernanzug und sogar eine Krawatte trug und damit auf seine eigene linkische Art zweifellos Eindruck schinden wollte). Er winkte den Damen kurz zu, bevor er erneut etwas in den Hörer brüllte.
Die Dienstmädchen folgten uns und brachten noch mehr Sandwiches und Tee in jeden Raum, den wir uns ansahen. Die Mädchen lachten, plauderten miteinander und hatten eine Menge Spaß. Das potenzielle gesellschaftliche Desaster hatte sich in einen gesellschaftlichen Coup verwandelt. Und je weiter wir durch Nikkis Haus gingen, desto erleichterter war ich. Ich konnte mich an keine Party erinnern, die so gut gelungen war wie diese. Plötzlich war ich heilfroh darüber, dass meine Mutter nicht gekommen war.
Nachdem wir den ersten Stock gesehen hatten, gingen wir ganz nach oben und landeten in Nikkis Schlafzimmer, und sie öffnete die Türen zu ihrem Kleiderschrank.
Als wir sahen, wie groß der war, blieb uns der Mund offen stehen.
Ich habe auch eine Menge Kleidung, aber Nikki Grouts Kleiderschrank hätte glatt als mittelgroße Boutique durchgehen können. Ein Kronleuchter aus
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