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Engel auf Abwegen

Engel auf Abwegen

Titel: Engel auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Linda Francis
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Kristall hing von der Decke, und die Wände waren rosa gestrichen. Auf dem Boden lag ein dazu passender rosa Teppich. Ich hatte das Gefühl, von Zuckerwatte umgeben zu sein, das sich jedoch schnell wieder verflüchtigte.
    Den Damen blieb die Luft weg. Sie betraten den Schrank und wurden von einer fremden Macht angezogen, die voller exotischer Kleidungsstücke war und wahrscheinlich aus Boutiquen stammte wie Wild Wear, My Spicy Treasure oder sogar Bizarre Bazaar. Es gab nicht eine Frau in der Junior League von Willow Creek, die solche Klamotten besaß. Jedes Kleidungsstück war mit Federn, Schmucksteinen oder Perlen und einer Menge Glitzerkram verziert. Kleiderstange um Kleiderstange voller Federboas, Stoffe mit wilden Tieren, paillettenbesetzter Oberteile und Hosen mit Edelsteinen.
    Nikki konnte nicht widerstehen, sich eine schwarzbraune Federboa um den Hals zu legen. Sie zog ihre einfachen weißen Sandalen aus und schlüpfte in ein Paar halboffene Schuhe mit Leopardenmuster. Sogar ich musste lachen und schloss mich den Frauen an, die ihre unauffällige Kleidung mit Federboas und paillettenbesetzten Schals schmückten.
    Ich kann Ihnen gar nicht erklären, was das für ein Gefühl war, als die rosa Federn meinen Hals liebkosten und mein Gesicht kitzelten. Es war einfach »köstlich«. Mein Vokabular ist zwar ziemlich umfangreich, aber köstlich gehört nicht dazu. Aber genau so fühlte ich mich. Ich verschwendete keinen Gedanken an meine Mutter oder an Gordon. Ich zog meine schicken Schuhe aus und probierte zehn Zentimeter hohe Stilettos an.

    Dann setzte ich mir einen riesigen Schlapphut mit einem Glitzerband auf den Kopf und erkannte mich kaum wieder in dem großen Spiegel, der zwischen den Kleiderständern mit den Glitzerklamotten stand. Nikki in die League einzuführen war das Beste, was ich je getan hatte.
    Intelligent. Kühn. Gewagt.
    Und total falsch, wie ich wenig später herausfand, als zwei Dinge geschahen. Das kleinere der beiden Übel passierte, als einer der Zwillinge ein winziges Stück Stoff hervorzog.
    »Du lieber Himmel, Nikki, was ist denn das? Ein Schal oder …« Deandras Worte verstummten, denn das Stück Stoff war nicht groß genug, um es um etwas herumzuwickeln, ganz zu schweigen von den merkwürdigen Schlaufen, die eher an eine Gesichtsmaske erinnerten als an irgendetwas anderes.
    Nikki fing an zu lachen und machte eine spielerische Handbewegung. »Das ist doch kein Schal, du albernes Ding! Das ist ein Bikiniunterteil.«
    Angesichts des plötzlichen Interesses der Damen hätte man meinen sollen, sie hätte einen lupenreinen, 55-karätigen Diamanten hervorgezogen. Wir alle beugten uns über das Stück Stoff, um es genauer zu betrachten.
    »Aber wie stellst du es an … nun, dass du nicht …« Deandra verstummte.
    Nikki war nicht so schüchtern. »Wie ich es anstelle, die Haare dort unten zu verbergen?«
    An Deandras entsetztem Gesichtsausdruck war abzulesen, dass sie gar nicht an so etwas gedacht hatte.
    Aber Nikki merkte das nicht. »Das ist kinderleicht! Du holst dir einen Brasilianer.«
    Der Schock wäre noch größer gewesen, wenn alle Anwesenden
außer mir und Nikki gewusst hätten, was ein Brasilianer war.
    »Was ist das?«, wollte Deandra wissen und dachte irrtümlicherweise, sie bewege sich auf sicherem Terrain.
    »Wachs. Mein Gott, tut das weh. Sie schmieren Wachs auf deine intimen Teile und zack sind die Haare weg. Danach ist die Haut weich wie ein Pfirsich.«
    Diesmal waren die Frauen echt schockiert und verlegen und schämten sich, in ein derartiges Gespräch verwickelt zu werden. Die gute Stimmung löste sich in Luft auf. Dann kam meine Mutter wie eine Königin auf die kleine Kostümparty gerauscht. Alle erstarrten, als Blythe Hildebrand die Szene in sich aufnahm.
    »Lieber Gott, Fredericka. Ich rieche Alkohol. Hast du getrunken?«

11
    Wenn man auf sein Gesicht fällt, ist die einzige akzeptable Reaktion, aufzustehen, sein Haar in Ordnung zu bringen und aufrechter als je zuvor weiterzumachen. Sich in Selbstmitleid zu verlieren oder sich gar zu entschuldigen ist inakzeptabel. Zuzugeben, dass man etwas vermasselt hat, ist völlig inakzeptabel. Das zeigt Schwäche, und schwach zu sein ist viel schlimmer, als einen Fehler zu machen. Wenn man jedoch seinen Kopf hochhält und eine Krise durchsteht, vergessen die meisten Leute, dass man eine gehabt hat.
     
    Mein ganzes Leben habe ich mich an diese Philosophie gehalten. Als meine Mutter den extravaganten Ankleideraum betrat – ihr

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