Engel auf Abwegen
es mehr nach Wage es nicht, anzurühren, was mir gehört geklungen als nach echter Besorgnis um mich.
Sawyer Jacksons Besorgnis galt nur mir.
Die Haare auf meinen Unterarmen stellten sich auf.
Er sah fantastisch aus in seinem makellosen schwarzen
Anzug, dem weißen Hemd und der silbernen Krawatte. Sein dunkles Haar war zurückgekämmt. Er mochte zwar in dem falschen Teil der Stadt wohnen, aber er wusste, wie man sich für eine Party anzog. Jetzt, da ich erfahren hatte, dass er nicht schwul war, musste ich die Situation neu einschätzen. Was zuvor modelhaftes gutes Aussehen gewesen war, nahm nun neue Dimensionen an. Seine dunklen Augen, das dunkle Haar und seine hohen Wangenknochen warfen mich aus der Bahn.
Ich hob das Kinn. »Ich kann mich selbst verteidigen, das versichere ich Ihnen, Mr. Jackson.«
»Also siezen wir uns jetzt wieder.«
»Das haben wir doch immer getan.«
Wir beide wussten, dass das nicht stimmte, nachdem wir um den Pool herumgetanzt waren.
Dann fiel ihm noch etwas auf. »Das Armband ist sehr hübsch.«
Warum ich sein Geschenk trug, weiß ich nicht und werde es niemals wissen. Kurz bevor ich das Haus verließ, hatte ich das Schmuckstück, das für eine Dinnerparty mehr als ungeeignet war, angelegt. Aber ich dachte, das ganze »Wennman-in-Rom-ist-Konzept« würde auch für mich gelten.
Nina hätte beinahe einen Anfall bekommen, als sie das Armband erblickte, während ich aus der Tür stürmte. Sie ließ es aber durchgehen, da auch sie halb in den Künstler verliebt war.
Egal, wenn ich das Armband nicht getragen hätte, wären die Dinge an jenem Abend ganz anders verlaufen, denn das ganze NC-Kristall und vergoldete Zeug an meinem Handgelenk war der Beweis dafür, dass ich mehr von ihm hielt, als ich eigentlich sollte oder bereit war zuzugeben.
Er lächelte mich an, als könnte er meine Gedanken lesen.
»Du hast Nikki in einen eleganten Schwan verwandelt, aber ich denke, sie hat dich ebenfalls verändert.«
Aus meiner perfekten Frisur hatte sich eine Haarsträhne gelöst, die er mir hinter das Ohr steckte. Bei dieser Berührung und dem Gedanken daran, was ich soeben zu einem fremden Mann gesagt hatte, der mir auf den Hintern gehauen hatte, überfiel mich ein heißer Schauer. »Verändert« war wirklich untertrieben.
Seine Finger verweilten auf meinem Ohr, dann strichen sie über den (unregelmäßig schlagenden) Puls an meinem Hals. Ich hätte am liebsten seine Hand genommen, ihn in den African Safari Room geschleppt und mich an seinen Hals geworfen.
»Ja, also …«
Ich wusste nicht, was ich sagen oder empfinden sollte, außer dass mir schwindlig war. Ich drehte mich um und ließ ihn stehen.
Es war ziemlich unhöflich, ich weiß, aber es schien ihm nicht aufzufallen, da ich unter dem Klang seines amüsierten Lachens fortging. Aber es stimmte, ich hatte mich verändert, ich spürte es, und ich hatte keine Ahnung, wie ich das wieder ändern konnte.
Alle plauderten eifrig miteinander, und als mir einfiel, dass ich ja neben diesem Mann sitzen sollte, änderte ich heimlich die Sitzordnung. Ich hätte es nicht ertragen, den ganzen Abend neben ihm zu sein.
Ihm gegenüberzusitzen war auch nicht viel besser.
Eine halbe Stunde später, als die zwanzig Gäste ihre Plätze eingenommen hatten – mein Künstler saß mir gegenüber -, bemerkte ich jedes Mal, wenn ich aufblickte, dass er mich mit amüsierter Gleichgültigkeit, die mich nervös machte, ansah. Ich ignorierte ihn.
Das Esszimmer wurde von einem wunderschönen Kronleuchter erhellt, und Kerzenleuchter aus Sterlingsilber waren wie Wachposten in der Mitte des Tisches aufgereiht. Die Wände sahen aus, als wären sie mit goldener Farbe gestrichen, und der Fußboden schien aus belgischer Schokolade zu sein. In der Mitte lag ein Orientteppich, der mehr Geld gekostet hatte, als Nikkis Vorfahren ihr Leben lang verdient hatten.
Als es zunehmend schwieriger wurde, Sawyer zu ignorieren, konzentrierte ich meine Aufmerksamkeit auf die drei Gabeln links von meinem Teller und die drei Messer, Suppenlöffel und die Austerngabel auf der rechten Seite. Ein weiterer Löffel und eine Gabel lagen senkrecht zum Teller.
Ich schaute auf die mit der Hand geschriebene Speisekarte und wusste bereits, was mich erwartete. Trotzdem las ich jeden Eintrag darauf:
Gebackene Austern en Croûte
Hot Consommé Brunoise
Lobster de Luxe
Rindfleischfilet mit Sauce Marchand de Vin
Neue Kartoffeln mit Kräutern und Grüne Bohnen Amandine
Kirschtomaten auf belgischem
Weitere Kostenlose Bücher