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Engel aus Eis

Titel: Engel aus Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla L�ckberg
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fassen. Er ließ sich einfach mitreißen und genoss den Taumel. Ironischerweise begann gerade die Ernüchterung einzusetzen, als ihm die Situation vollständig entglitt. Er hatte es langsam satt, in Diskussionen nie auf wirklichen Widerstand zu stoßen, und langweilte sich an der Seite einer Frau, die von Mondlandung und Ungarnaufstand keine Ahnung hatte. Selbst die glatte Haut unter seinen Fingern verlor ihre Anziehungskraft.
    Noch immer erinnerte er sich an den Augenblick, in dem alles zusammenbrach. Als wäre es gestern gewesen. Die Verabredung im Café. Ihre großen blauen Augen, als sie ihm freudestrahlend mitteilte, dass er Vater wurde, dass sie ein Kind bekamen und dass er Carina nun endlich alles sagen müsse. Das habe er ihr doch schon so lange versprochen!
    In diesem Moment begriff er, dass er einen riesigen Fehler begangen hatte, und er wusste noch genau, wie ihm mit einem bleischweren Gefühl in der Brust klar wurde, dass er diesen nun nicht mehr gutmachen konnte.
    Ganz kurz überlegte er, ob er sie einfach an diesem Tisch sitzenlassen, nach Hause gehen, sich neben Carina aufs Sofa legen und mit ihr zusammen die Nachrichten ansehen sollte, während der fünfjährige Per friedlich in seinem Bett schlief.
    Sein männlicher Instinkt sagte ihm jedoch, dass es diese Alternative für ihn nicht gab. Manche Liebhaberinnen erzählten der Ehefrau nichts, andere taten es doch. Er wusste intuitiv, zu welcher Gruppe Beata gehörte. Wenn er ihr Leben kaputtmachte, würde sie sich einen Dreck darum scheren, wen oder was sie zerstörte. Sie würde sein ganzes Dasein zerstampfen, ohne einen einzigen Blick zurückzuwerfen. Und er würde zwischen den Trümmern hocken.
    Er wusste das und schlug den Weg des feigen Mannes ein. Den Gedanken, am Ende allein dazustehen, ertrug er nicht. In einer miesen Junggesellenwohnung die Wände anzustarren und sich zu fragen, wo sein Leben abgeblieben war. Also entschied er sich für die einzige Möglichkeit, die er noch hatte. Die Bedingungendiktierte Beata. Sie triumphierte, und er verließ Carina und Per. Sie blieben wie Abfall zurück. Sie hatten das Gefühl, einfach weggeworfen zu werden. Weil sie nichts mehr taugten. Er hatte Carina gedemütigt und Per verloren. Das war der Preis, den er für das Gefühl junger Haut unter seinen Händen zahlen musste.
    Vielleicht hätte er Per behalten können. Wenn er die Kraft gehabt hätte, sich über das Schuldgefühl hinwegzusetzen, das sich jedes Mal, wenn er an die beiden dachte, wie ein Felsbrocken auf ihn legte. Aber es gelang ihm nicht. Er stattete sporadische Besuche ab, spielte bei seltenen Anlässen den Vater und mimte Autorität. Das Resultat war erbärmlich.
    Nun kannte er seinen Sohn nicht mehr. Er war ein Fremder für ihn. Kjell war nicht mehr in der Lage, es zu versuchen, denn er hatte sich in seinen eigenen Vater verwandelt. Das war die bittere Wahrheit. Er hatte sein gesamtes Leben damit verbracht, einen Vater zu hassen, der sich gegen ihn und seine Mutter entschieden hatte und ein Leben führte, an dem sie keinen Anteil nehmen konnten.
    Plötzlich begriff er, dass er genau das Gleiche getan hatte.
    Kjell schlug mit der Faust auf den Tisch, damit er den Schmerz in seinem Herzen nicht mehr so spürte, doch es nützte nichts. Er öffnete die unterste Schreibtischschublade, um einen Blick auf das Einzige zu werfen, was ihn von seinen Qualen ablenken konnte.
    Er starrte die Mappe an. Einen Augenblick lang war er versucht gewesen, das Material der Polizei zu übergeben, aber der Profi in ihm hatte ihn in letzter Sekunde davon abgehalten. Viel hatte Erik ihm ohnehin nicht gegeben. Als er Kjell in seinem Büro besuchte, drehte er sich die meiste Zeit im Kreis und wirkte unsicher, was und wie viel er erzählen sollte. Einen Moment lang sah es so aus, als ob er auf dem Absatz kehrtmachen und wieder gehen würde, ohne etwas preiszugeben.
    Kjell öffnete die Mappe und bedauerte, dass er nicht dazu gekommen war, Erik mehr Fragen zu stellen. Was sollte Kjell nach Eriks Meinung tun, wo sollte er suchen? Außer den Zeitungsartikeln, die Erik ihm kommentarlos überreicht hatte, hatte er nichts in der Hand.
    »Was soll ich damit?«, hatte er gefragt.
    »Das herauszufinden, ist Ihre Aufgabe«, antwortete Erik. »Es muss einen seltsamen Eindruck auf Sie machen, aber die ganze Wahrheit kann ich Ihnen nicht sagen. Das schaffe ich nicht. Ich kann Ihnen jedoch das Werkzeug geben, mit dem Sie den Rest alleine erledigen können.«
    Dann ging er und ließ

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