Engel aus Eis
fein säuberlich eingeheftet, und im Inhaltsverzeichnis vorn war verzeichnet, was genau sich hinter welchem Trennblatt befand.
»Meine Unterlagen sehen anders aus«, lachte Martin.
»Ich hatte immer das Gefühl, dass mit solchen Leuten etwas nicht stimmt. Vermutlich haben seine Eltern zu früh mit dem Topftraining angefangen …«
»Interessante Theorie«, grinste Martin. Manchmal konnte Gösta richtig witzig sein, allerdings meistens unfreiwillig.
»Hast du irgendwas gefunden? Hier ist jedenfalls nichts Interessantes.« Martin schob die letzte Schublade hinein.
»Noch nicht. Vor allem Rechnungen, Verträge und so Sachen. Die haben seit Jahrzehnten alle Stromrechnungen aufbewahrt. Nach Datum sortiert.« Gösta schüttelte den Kopf. »Nimm dir auch einen Ordner.« Er zog einen dicken schwarzen Ordner aus dem Bücherregal neben dem Schreibtisch und reichte ihn dem Kollegen.
Martin setzte sich damit in den Sessel. Gösta hatte recht. Alles war perfekt geordnet. Er ging alle Unterlagen durch, studierte sorgfältig jedes Blatt Papier, doch bald verließ ihn der Mut. Bis er zum Buchstaben S kam. Ein kurzer Blick zeigte ihm, dass »S«für Schwedens Freunde stand. Neugierig blätterte er die Papiere durch. Auf jedem Blatt war oben rechts eine Krone vor einer wehenden schwedischen Fahne abgebildet. Der Verfasser der Briefe war immer derselbe, Frans Ringholm.
»Hör mal.« Martin las Gösta laut aus einem der oberen Briefe vor, laut Datum stammte er aus jüngerer Zeit.
»Trotz unserer gemeinsamen Geschichte kann ich nicht mehr lange ignorieren, dass du den Zielen und Absichten von Schwedens Freunden aktiv zuwiderhandelst. Das wird Konsequenzen haben. Unserer alten Freundschaft zuliebe habe ich mein Bestes getan, um dich zu schützen, aber es gibt starke Kräfte im Verein, die das nicht gerne sehen, und es wird eine Zeit kommen, in der ich dir keinen Schutz mehr vor diesen Kräften bieten kann.« Martin zog eine Augenbraue hoch. »Ungefähr in dem Stil geht es weiter.« Hastig blätterte er die übrigen fünf Briefe durch.
»Offenbar ist Erik Frankel mit seiner Tätigkeit einer rechtsradikalen Gruppe auf die Füße getreten, hatte aber überraschenderweise einen Beschützer in dieser Organisation.«
»Einen Beschützer, der vielleicht am Ende machtlos war.«
»Das läge nahe. Wir müssen die restlichen Dokumente durchgehen. Außerdem müssen wir uns unbedingt diesen Frans Ringholm vorknöpfen.«
»Ringholm …« Gösta runzelte die Stirn. »Den Namen kenne ich doch.« Er verzog das Gesicht zu einer gequälten Grimasse, als wolle er sein Gehirn zwingen, mit der Lösung des Rätsels herauszurücken, aber es gelang ihm nicht. Während sie schweigend die restlichen Ordner durchgingen, wirkte er immer noch nachdenklich.
Nach einer guten Stunde schlug Martin den letzten zu und stellte fest: »Ich habe nichts Interessantes mehr gefunden. Du?«
Gösta schüttelte den Kopf. »Nein, und keine weiteren Hinweise auf Schwedens Freunde .«
Sie verließen die Bibliothek und durchsuchten die übrigen Zimmer. Überall fanden sie Hinweise auf die Beschäftigung mit Deutschland und dem Zweiten Weltkrieg, aber nichts erregte ihre Aufmerksamkeit. Das Haus an sich war schön, vielleicht etwas altertümlich eingerichtet, und wirkte an manchen Stellenrecht abgenutzt. Schwarzweißfotos von den Eltern der Brüder und anderen Verwandten hingen an den Wänden und standen in altmodischen Rahmen auf Kommoden und Sideboards. Ihre Anwesenheit war deutlich zu spüren. Offenbar hatten die Brüder keine großen Veränderungen an dem Haus vorgenommen. Nur eine dünne Staubschicht störte den gepflegten Eindruck.
»Ich frage mich, ob sie selbst saubermachen oder ob sie jemanden haben, der zu ihnen kommt.« Nachdenklich strich Martin mit dem Finger über eine Kommode in einem der drei Schlafzimmer im Obergeschoss.
»Ich kann mir schwer vorstellen, dass die beiden Siebzigjährigen hier selbst putzen.« Gösta öffnete den Kleiderschrank neben der Tür. »Was meinst du? Ist das Axels oder Eriks Zimmer?« Er betrachtete die braunen Anzüge und die weißen Hemden im Schrank.
»Eriks«, sagte Martin. Er hatte ein Buch vom Nachttisch genommen und zeigte auf die erste Seite, wo mit Bleistift ein Name geschrieben stand: »Erik Frankel«. Es handelte sich um eine Biographie von Albert Speer. »Hitlers Architekt«, las Martin laut, bevor er das Buch zurücklegte.
»Der saß nach dem Krieg zwanzig Jahre im Spandauer Gefängnis«, murmelte Gösta. Martin
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