Engel aus Eis
den Kopf gefallen.
»Fein.« Mellberg stand auf. »Dann arbeiten wir weiter.« Er verließ die Teeküche.
»Ihr habt gehört, was der Chef gesagt hat.« Martin erhob sich ebenfalls. »Wollen wir los, Gösta?«
Gösta schien bereits zu bereuen, dass er einen Vorschlag geäußert hatte, der für ihn persönlich eine zusätzliche Belastung mit sich brachte, nickte aber müde und trottete hinter Martin her. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Zähne zusammenzubeißen. Am Samstag und Sonntag konnte er ausschlafen. Die Zeit bis dahin würde er auch noch irgendwie herumkriegen.
Die Gedanken an Erik Frankel und den Orden ließen Erica keine Ruhe. Manchmal gelang es ihr, sie einige Stunden am Stück zu verdrängen, weil sie nun endlich mit ihrem Manuskript vorankam. Aber sobald ihre Konzentration nachließ, musste sie wieder an die kurze Begegnung denken. Sie hatte ihn als sanftmütigen und höflichen Mann erlebt, der aufblühte, wenn er über den Nationalsozialismus sprechen konnte.
Sie speicherte ab, was sie geschrieben hatte, öffnete nach kurzem Zögern den Internet Explorer und gab Erik Frankel ein. Zahlreiche Treffer erschienen. Einige waren offensichtlich falsch und beinhalteten Informationen über andere Personen, aber die meisten betrafen den richtigen Erik Frankel. Sie verbrachte eine gute Stunde damit, sich zumindest durch einen Teil der Informationsflut zu klicken. Er war 1930 in Fjällbacka geboren und hatte neben seinem vier Jahre älteren Bruder Axel keine weiteren Geschwister. Sein Vater war von 1935 bis 1954 Arzt in Fjällbacka gewesen, und er und sein Bruder wohnten in ihrem Elternhaus. Sie forschte weiter. Sein Name tauchte in mehreren Foren zum Nationalsozialismus auf, doch nichts deutete daraufhin, dass er mit diesen Gruppen sympathisierte. Eher im Gegenteil. Allerdings ließ sich aus manchen seiner Beiträge eine Art Negativfaszination für den Nationalsozialismus herauslesen, und die war offenbar auch sein Antrieb.
Sie schloss das Internetfenster und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Eigentlich hatte sie keine Zeit, sich damit zu beschäftigen, aber ihre Neugier war geweckt.
Ein vorsichtiges Klopfen ließ Erica zusammenzucken.
»Störe ich?«, fragte Patrik.
»Kein Problem.« Erica drehte sich mit dem Bürostuhl zu ihm um.
»Ich wollte nur sagen, dass Maja schläft. Ich muss ein paar Dinge erledigen. Könntest du darauf aufpassen?« Er wollte ihr das Babyphon in die Hand drücken, mit dem sie Majas Schlaf überwachten.
»Eigentlich muss ich arbeiten.« Erica seufzte innerlich. »Was hast du denn vor?«
»Ich habe eine Benachrichtigung bekommen, dass ich bei der Post einige Bücher abholen kann. Außerdem wollte ich in der Apotheke Nasentropfen kaufen, und wenn ich sowieso unterwegs bin, kann ich auch gleich meinen Lottoschein abgeben. Ein bisschen einkaufen wollte ich übrigens auch.«
Erica verspürte plötzlich eine ungeheure Müdigkeit. Sie dachte an all die Besorgungen, die sie im Laufe des vergangenen Jahres mit Maja im Kinderwagen oder auf dem Arm erledigt hatte. Oft war sie hinterher völlig durchgeschwitzt gewesen. Da hatte sich niemand kurz um Maja gekümmert, wenn sie etwas zu erledigen hatte. Sie schob den Gedanken jedoch beiseite, sie wollte ja nicht kleinlich und egoistisch sein.
»Natürlich passe ich auf sie auf.« Sie gab sich redliche Mühe, ein möglichst natürliches Lächeln aufzusetzen. »Wenn sie schläft, kann sie mich ja nicht von der Arbeit abhalten.«
»Das ist wahnsinnig lieb von dir.« Patrik küsste sie auf die Wange und machte die Tür hinter sich zu.
»Stimmt«, murmelte Erica vor sich hin, während sie das WordDokument mit ihrem Manuskript wieder öffnete und versuchte, Erik Frankel aus ihren Gedanken zu verbannen.
Sie hatte gerade die Finger auf die Tastatur gelegt, als das Babyphon ein Knistern von sich gab. Erica erstarrte. Das musste noch nichts bedeuten. Wahrscheinlich hatte Maja sich nur in ihrem Bettchen umgedreht, manchmal war das Gerät etwas zu empfindlich. Draußen hörte sie den Motor starten und Patrik davonfahren. Sie blickte wieder auf den Bildschirm und formulierte im Kopf den nächsten Satz, als es erneut knisterte. Sie starrte das Babyphon an, als wollte sie es beschwören, Ruhe zu geben, erntete aber lediglich ein lautes »Buuuh«, dem ein schrilles »Mamaaa … Papaaa …« folgte.
Mit einem Gefühl der Ohnmacht schob sie ihren Stuhl zurück. Typisch. Sie ging zu Majas Zimmer und öffnete die Tür. Ihre Tochter richtete
Weitere Kostenlose Bücher