Engel aus Eis
war rot, und die Augen glänzten fiebrig.
»Bist du krank?« Der Junge nickte, gab ein schallendes Niesen von sich, als wollte er der Aussage ein Ausrufungszeichen hinzufügen, und schnäuzte sich in sein Taschentuch.
»Ich bin erkältet.« Adams Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass beide Nasenlöcher hoffnungslos verstopft waren.
»Darf ich reinkommen?«
Adam trat beiseite. »Auf eigene Gefahr.« Er nieste wieder.
Gösta spürte, wie seine Hand eine Virendusche abbekam, wischte sie jedoch gelassen mit dem Ärmel trocken. Einige Tage krankgeschrieben zu werden wäre auch nicht schlecht. Den Rotz nahm er gerne in Kauf, wenn er dafür ein paar Tage mit einer Wolldecke auf dem Sofa liegen und sich die Aufzeichnung des letzten Masters-Turniers ansehen durfte. Da hätte er endlich die Gelegenheit, Tigers Schwung in aller Ruhe in Zeitlupe zu studieren.
»Babba ist nicht da«, näselte Adam.
Mit gerunzelter Stirn folgte Gösta dem Jungen in die Küche. Dann ging ihm ein Licht auf. Der Junge hatte offenbar zu vermitteln versucht, seine Mutter sei nicht da. Kurz ging ihm durch den Kopf, wie unangemessen es war, einen Minderjährigen in Abwesenheit von Erziehungsberechtigten zu verhören, aber der Gedanke verzog sich genauso schnell, wie er gekommen war. Göstas Ansicht nach waren Vorschriften lästig und erschwerten einem nur die Arbeit. Ernst hätte ihm aus ganzem Herzen zugestimmt. Also der Polizist, nicht der Hund, dachte Gösta und kicherte in sich hinein. Adam sah ihn verwundert an.
Sie setzten sich an den Küchentisch, auf dem noch die Spuren des Frühstücks zu sehen waren. Brotkrumen, Butterkleckse, verschütteter Kakao, es war alles noch da.
»So.« Gösta trommelte mit den Fingern auf den Küchentisch, bereute es aber sofort, weil sie nun voll klebriger Krümel waren. Er wischte sie am Hosenbein ab und nahm einen erneuten Anlauf.
»So. Wie kommst du damit zurecht?« Die Frage klang selbst in seinen eigenen Ohren merkwürdig. Es war nicht seine Stärke, mit Jugendlichen oder Menschen mit sogenannten posttraumatischen Belastungsstörungen zu sprechen. Nicht, dass er viel von dem Quatsch gehalten hätte. Meine Güte, der Alte war doch schon tot gewesen, als sie ihn fanden, und das dürfte wohl nicht so schlimm gewesen sein. Er hatte in seinem Berufsleben schon so manchen gesehen, der den Löffel abgegeben hatte, aber traumatisiert war er deswegen nicht.
Adam putzte sich die Nase und zuckte die Achseln. »Wieso? Gut, glaube ich. Die anderen in der Schule finden es cool.«
»Wieso seid ihr eigentlich dorthin gegangen?«
»Es war Mattias’ Idee.« Adam sprach den Namen wie Battias aus, aber inzwischen hatte sich Göstas Gehirn darauf eingestellt und konnte alles, was der Junge sagte, sofort übersetzen.
»Hier in der Gegend weiß jeder, dass die beiden Alten seltsam sind und sich mit dem Zweiten Weltkrieg und so Zeug beschäftigen. Ein Junge in der Schule hat gesagt, dass sie massenhaft coole Sachen zu Hause haben, und Mattias meinte, wir sollten mal reingehen und gucken …« Der Redeschwall wurde plötzlich von einem so kräftigen Niesen unterbrochen, dass Gösta erschrocken zusammenzuckte.
»Mattias hatte also die Idee, in das Haus einzubrechen.« Gösta blickte Adam streng an.
»Was heißt hier einbrechen …« Adam rutschte auf seinem Stuhl hin und her. »Wir wollten ja nichts klauen oder so, sondern nur die Sachen angucken. Wir dachten doch, die Alten wären beide verreist und würden es gar nicht merken, wenn sich jemand bei ihnen umsieht.«
»Ich nehme dich beim Wort«, sagte Gösta. »Und ihr wart noch nie in dem Haus gewesen?«
»Nein, ich schwöre.« Adam sah den Polizisten flehentlich an. »Es war das erste Mal.«
»Ich bräuchte deine Fingerabdrücke. Um zu überprüfen, ob das stimmt. Und um dich auszuschließen. Das ist doch kein Problem, oder?«
»Nee!«, erwiderte Adam mit leuchtenden Augen. »Ich habe immer CSI geguckt und weiß, wie wichtig es ist, jemanden auszuschließen. Dann füttert ihr den Computer mit den Fingerabdrücken und kriegt raus, wer noch da drin war.«
»Genau. So arbeiten wir«, antwortete Gösta mit todernster Miene, aber innerlich grinste er sich eins. Den Computer mit Fingerabdrücken füttern. Wunderbar!
Er zog die Ausrüstung aus der Tasche, die er benötigte, um die Fingerabdrücke des Jungen zu nehmen: ein Stempelkissen und eine Karte mit zehn Feldern, auf die er nacheinander behutsam die Finger des Jungen drückte.
»So«, sagte er zufrieden, als er
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