Engel aus Eis
guten Mann gebrauchen, der zu ihm hält.«
»Die Geschäfte laufen wie geschmiert.« Hjalmar hielt seine Flasche in die Höhe. »Wir kommen kaum nach mit dem Erz, das die haben wollen. Über den Krieg kann man sagen, was man will, aber der Rubel rollt.«
»Wir schaffen uns dieses Judenelend vom Hals und machen gleichzeitig einen Reibach – besser geht’s doch gar nicht.« Egon schnappte sich noch ein Häppchen. Der Teller leerte sich allmählich. Er nahm einen Bissen und drehte sich zu Frans um. »Du kannst stolz auf deinen Vater sein. Es gibt nicht mehr viele wie ihn in Schweden.«
»Klar«, murmelte Frans, dem es plötzlich peinlich war, im Mittelpunkt zu stehen.
»Hör auf deinen Vater, und nicht auf das, was die schlecht Informierten behaupten. Schließlich weißt du, dass die meisten von denen, die die Deutschen und den Krieg verurteilen, kein reines Blut in den Adern haben. In unserer Gegend gibt es viele Zigeuner und Wallonen, weißt du. Kein Wunder, wenn solches Volk die Tatsachen verdreht. Aber dein Vater weiß, wie der Hase läuft. Wir haben mit eigenen Augen gesehen, wie Juden und Ausländer versucht haben, an die Macht zu kommen und das Reine und Schwedische zu zerstören. Dieser Hitler ist wirklich auf dem richtigen Weg. Du wirst noch an meine Worte denken!« Egon hatte sich so in Rage geredet, dass die Brotkrumen aus seinem Mund sprühten. Frans lauschte beeindruckt.
»Nun sollten wir uns den Geschäften zuwenden, meine Herren.« Vilgot knallte seine Bierflasche auf den Tisch und erntete damit unmittelbare Aufmerksamkeit.
Frans saß noch zwanzig Minuten bei ihnen und hörte zu. Dann ging er auf wackligen Beinen ins Bett. Als er in seinen Kleidern auf der Decke lag, hatte er das Gefühl, das ganze Zimmer würde sich drehen. Draußen im Salon war das Herrengespräch wie ein leises Rauschen zu hören. Beim Einschlafen ahnte er zum Glück noch nicht, wie er sich beim Aufwachen fühlen würde.
G östa seufzte tief. Bald würde der Sommer dem Herbst weichen, und in der Praxis bedeutete das für ihn, dass sich seine Golfrunden auf ein Minimum reduzierten. Die Luft war zwar noch recht warm, und theoretisch lag noch ein ganzer Golfmonat vor ihm, doch er wusste aus bitterer Erfahrung, wie die Realität aussehen würde. Einige Runden würden buchstäblich ins Wasser fallen, einige würden wegwehen. Und dann würden die Temperaturen plötzlich über Nacht von angenehm auf unerträglich fallen. Das war der Nachteil, wenn man in Schweden lebte. Die Vorteile, die das wieder aufwiegen würden, konnte er eigentlich auch nicht erkennen. Abgesehen vom eingelegten Strömling. Aber wenn man ins Ausland zog, konnte man sich ja ein paar Dosen mitnehmen. Dann hätte man das Beste aus zwei Welten.
Immerhin war es in der Dienststelle ruhig. Mellberg ging mit Ernst Gassi, und Martin und Paula waren nach Grebbestad gefahren, um sich mit Frans Ringholm zu unterhalten. Gösta überlegte einen Moment, wo er diesen Namen schon einmal gehört hatte. Zu seiner Erleichterung machte es in seinem Gehirn tatsächlich Klick. Ringholm. So hieß doch dieser Journalist vom Bohusläningen . Er griff nach der Zeitung auf seinem Schreibtisch und suchte, bis er triumphierend mit dem Zeigefinger auf den Namen tippen konnte: Kjell Ringholm. Ein auf Krawall gebürsteter Kerl, der mit Leidenschaft den lokalen Politikern und Machthabern einheizte. Es konnte auch Zufall sein, aber derNachname war selten. War er womöglich der Sohn von Frans? Gösta archivierte die Information sicherheitshalber in seinem Oberstübchen.
Im Moment hatte er Dringenderes zu erledigen. Er seufzte erneut. Mit den Jahren hatte er es im Seufzen zu einer gewissen Meisterschaft gebracht. Vielleicht sollte er lieber warten, bis Martin wieder da war. Denn dann verteilte sich die Last nicht nur auf zwei Schultern, und er hatte noch mindestens eine Stunde seine Ruhe. Falls Martin und Paula beschlossen, irgendwo Mittagessen zu gehen, sogar zwei.
Doch dann gab er sich einen Ruck. Manchmal war es ja auch schön, etwas hinter sich zu bringen, anstatt es vor sich her zu schieben. Gösta stand auf und zog sich die Jacke an. Er sagte Annika, wo er hinwollte, nahm eins der Autos aus der Garage und machte sich auf den Weg nach Fjällbacka.
Erst nachdem er geklingelt hatte, wurde ihm klar, was für ein Idiot er war. Es war kurz nach zwölf. Die Jungs waren natürlich in der Schule. Er wollte gerade kehrtmachen, als ein völlig verschnupfter Adam ihm die Tür aufmachte. Seine Nase
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