Engel aus Eis
nicht, was sie sagen sollte. »Danke«, wiederholte sie und beließ es dabei.
Als sie sich mit dem Orden in der Tasche vom Haus entfernte, spürte sie Axels Blick im Rücken. Sie überlegte einen Moment, ob sie umkehren und sich entschuldigen sollte, weil sie ihn wegen einer solchen Kleinigkeit gestört hatte. Dann hörte sie die Haustür ins Schloss fallen.
Fjällbacka 1943
I ch begreife nicht, wie Per Albin Hansson so feige sein kann!« Vilgot Ringholm schlug so heftig mit der Faust auf den Tisch, dass die Kognakschwenker einen Sprung machten. Er hatte Bodil gesagt, sie solle den nächtlichen Imbiss servieren, und fragte sich, warum das so lange dauerte. Typisch, Weiber mussten immer trödeln. Wenn man nicht alles selbst machte!
»Bodil!«, rief er in Richtung Küche, erhielt aber zu seinem Verdruss keine Antwort. Er streifte die Asche von seiner Zigarre und brüllte noch einmal aus vollem Halse.
»Bodil!«
»Hat sich Ihre Gute aus dem Staub gemacht?«, gackerte Egon Rudgren, und Hjalmar Bengtsson stimmte in das Lachen ein. Nun wurde Vilgot noch wütender. Das Weib machte ihn zum Gespött seiner künftigen Geschäftspartner. Das Maß war voll. Doch genau in dem Moment, als er aufstehen und der Sache nachgehen wollte, kam seine Ehefrau mit einem vollbeladenen Tablett aus der Küche.
»Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat«, sagte sie mit gesenktem Blick und stellte das Tablett auf den Tisch. »Frans, könntest du vielleicht …« Sie deutete mit flehentlichem Blick zur Küche, aber Vilgot fiel ihr ins Wort, bevor sie ihren Satz beenden konnte.
»Frans soll nicht in der Küche stehen und sich mit Weiberkram beschäftigen. Er ist jetzt ein großer Kerl, der mit uns hier sitzen darf, um das eine oder andere zu lernen.« Er zwinkerte seinemSohn zu, der lässig die Beine ausstreckte. Es war das erste Mal, dass er so lange bei einem Geschäftsessen seines Vaters bleiben durfte. Normalerweise musste er gleich nach der Nachspeise in sein Zimmer. Heute hatte sein Vater darauf bestanden, dass er blieb. Er hatte das Gefühl, dass über seiner stolzgeschwellten Brust die Knöpfe vom Hemd sprangen. Doch der gelungene Abend versprach, noch besser zu werden.
»Willst du nicht auch ein Schlückchen Kognak probieren? Was meint ihr? Er ist diese Woche dreizehn geworden, da wird es doch Zeit, dass der Junge seinen ersten Kognak bekommt.«
»Ich würde sagen, es ist schon lange Zeit«, lachte Hjalmar. »Meine Jungs trinken ihren Kognak, seit sie elf sind, und er tut ihnen richtig gut.«
»Meinst du wirklich, Vilgot?« Bodil sah verzweifelt zu, während ihr Mann demonstrativ ein großes Glas einschenkte und es Frans reichte, der schon nach dem ersten Schluck zu husten begann.
»Ruhig, mein Junge, das muss man genießen, nicht runterkippen.«
»Vilgot …«, versuchte es Bodil noch einmal, aber nun verdüsterte sich die Miene ihres Mannes.
»Was stehst du hier eigentlich noch rum? Musst du nicht die Küche aufräumen?«
Einen Moment lang schien es, als wolle Bodil etwas sagen. Sie drehte sich zu Frans um, aber der hob triumphierend sein Glas und sagte grinsend: »Ich trinke auf dich, Mutter.«
Lachsalven verfolgten sie, als sie in die Küche ging und hinter sich die Tür zumachte.
»Wo war ich stehengeblieben?« Vilgot gab ihnen zu verstehen, dass sie sich von dem Silbertablett mit den Heringshäppchen bedienen sollten. »Was denkt denn dieser Per Albin Hansson? Es ist doch klar, dass wir Deutschland unterstützen müssen.«
Egon und Hjalmar nickten. Da mussten sie ihm recht geben.
»Es ist traurig«, sagte Hjalmar, »dass Schweden in diesen schweren Zeiten nicht aufrecht stehen und das schwedische Ideal hochhalten kann. Man schämt sich ja fast, ein Schwede zu sein.«
Die Herren schüttelten einträchtig den Kopf und nippten am Kognak.
»Wo habe ich eigentlich meinen Verstand? Wir können doch nicht hier sitzen und zum Hering Kognak trinken. Frans, läufst du runter und holst uns ein paar kalte Pils aus dem Keller?«
Fünf Minuten später war die Ordnung wiederhergestellt, und die Heringshäppchen konnten mit kräftigen Schlucken Tuborg hinuntergespült werden. Frans hatte sich wieder in dem Sessel gegenüber von seinem Vater niedergelassen und strahlte wie ein Honigkuchenpferd, als sein Vater ihm wortlos eine offene Flasche reichte.
»Ich habe selbst die eine oder andere Krone investiert, um die gute Sache zu unterstützen, und ich würde den Herren empfehlen, das Gleiche zu tun. Hitler kann jetzt jeden
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