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Engel aus Eis

Titel: Engel aus Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla L�ckberg
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lieber als die Unterbrechungen. Verhöre, Schläge und die vielen Fragen, die wie ein nicht enden wollender Sturzregen auf ihn einprasselten. Wie sollte er sie beantworten? Das bisschen, was er wusste, würde er auf keinen Fall verraten. Auch wenn sie ihn umbrachten.
    Axel strich sich über den Kopf. Die Stoppeln, die ihm geblieben waren, fühlten sich rau an. Sie waren gleich bei ihrer Ankunft geduscht und rasiert worden und mussten norwegische Gardeuniformen anziehen. Bei seiner Verhaftung wusste er gleich, dass er hier landen würde. In dem Gefängnis zwölf Kilometer außerhalb von Oslo. Doch nichts hätte ihn auf die bodenlose Angst, das Leid und den Schmerz vorbereiten können, die hier jede Minute ausfüllten.
    »Essen.« Es schepperte auf dem Gang, und der junge Wächter stellte ein Tablett vor sein Gitter.
    »Welcher Tag ist heute?«, fragte Axel auf Norwegisch. Er beherrschte die Sprache perfekt, weil Erik und er die Sommerferien fast immer bei den Großeltern mütterlicherseits in Norwegen verbracht hatten. Er sah den Wächter jeden Tag und versuchte immer, ein Gespräch mit ihm anzufangen, weil er sich nachmenschlichem Kontakt verzehrte. Meistens bekam er jedoch nur eine einsilbige Antwort. So auch heute.
    »Mittwoch.«
    »Danke.« Axel versuchte zu lächeln. Der Junge drehte sich um und ging. Weil es ihm so unerträglich erschien, wieder allein in der Kälte und der Einsamkeit zurückgelassen zu werden, rief er ihm noch eine Frage hinterher.
    »Wie ist das Wetter draußen?«
    Der Junge blieb stehen. Zögerte. Sah sich um und ging dann zurück zu Axel.
    »Es ist bewölkt. Ziemlich kalt.« Axel fiel auf, wie jung er aussah. Etwa im gleichen Alter wie er selbst, vielleicht ein bisschen jünger, aber so wie Axel sich im Moment fühlte, sah er wahrscheinlich viel älter aus.
    Der Junge entfernte sich ein Stück.
    »Etwas zu kalt für die Jahreszeit, nicht wahr?« Seine Stimme überschlug sich, und er merkte selbst, dass der Plauderton unpassend wirkte. Es hatte eine Zeit gegeben, in der er Small Talk für Zeitverschwendung gehalten hatte. Nun war er ein Rettungsanker, eine Erinnerung an das zunehmend verblassende Leben.
    »Das könnte man so sagen. Aber um diese Zeit ist es in Oslo oft kalt.«
    »Bist du von hier?«, fragte Axel hastig, bevor der Wächter wieder gehen wollte.
    Der Junge zögerte. Wieder blickte er sich um, aber in der Nähe war niemand zu hören oder zu sehen.
    »Wir sind erst seit ein paar Jahren hier.«
    »Wie lange bin ich schon hier? Es erscheint mir wie eine Ewigkeit.« Er lachte leise, bekam aber einen Schreck, weil sein Lachen so heiser und fremd klang. Er hatte schon lange nichts mehr zu lachen gehabt.
    »Ich weiß nicht, ob ich das …« Der Wächter zupfte an seinem Uniformkragen. Anscheinend fühlte er sich in dem strengen Aufzug unwohl. Mit der Zeit würde er sich daran gewöhnen, dachte Axel. Er würde in die Uniform und diese Art, mit Menschen umzugehen, hineinwachsen. So war es doch immer.
    »Was spielt es für eine Rolle, ob du mir verrätst, wie lange ich schon hier bin?«, flehte Axel ihn an. Die Orientierungslosigkeit war äußerst unangenehm, weil man sich an keiner Uhrzeit, keinem Wochentag und keinem Datum festhalten konnte
    »Ungefähr zwei Monate. Ich weiß es nicht mehr genau.«
    »Aha. Und es ist Mittwoch heute. Und der Himmel ist bedeckt. Das genügt mir.« Axel lächelte den Jungen an und bekam ein zaghaftes Lächeln zurück.
    Als der Wächter gegangen war, ließ Axel sich mit dem Tablett auf dem Schoß auf der Pritsche nieder. Das Essen ließ viel zu wünschen übrig. Jeden Tag das Gleiche. Schweinekartoffeln und widerliche Suppen. Das gehörte wahrscheinlich zur Zermürbungstaktik. Lustlos tauchte er den Löffel in die graue Pampe, und nur der Hunger sorgte dafür, dass er ihn auch zum Mund führte. Er versuchte, sich einzureden, es wäre der Fleischtopf seiner Mutter, aber das funktionierte nicht besonders gut. Im Gegenteil, es machte alles nur noch schlimmer, weil seine Gedanken jetzt dorthin wanderten, wo sie nicht hindurften, nach Hause und zur Familie, zu Mutter, Vater und Erik. Plötzlich nützte auch der Hunger nichts mehr, er konnte gar nichts mehr essen. Er legte den Löffel in die Schüssel und lehnte den Kopf an die raue Wand. Auf einmal sah er sie ganz deutlich vor sich. Vater mit dem buschigen grauen Schnurrbart, den er jeden Abend, bevor er ins Bett ging, sorgfältig kämmte. Mutter hatte die langen Haare zu einem Knoten im Nacken zusammengesteckt,

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