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Engel aus Eis

Titel: Engel aus Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla L�ckberg
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Wächter, der nun seine Runde machte. Bei Axel blieb er stehen.
    »Es ist kalt heute«, sagte er freundlich.
    Axel wich seinem Blick aus. Diesen Jungen hatte er bei seiner Ankunft über das Gefängnis ausgefragt. Er hatte den Eindruck, er wäre netter als die anderen, und er hatte sich nicht getäuscht. Ihn hatte er nie jemanden schlagen oder erniedrigen sehen, so wie es die meisten anderen Wächter taten. Doch die Monate im Gefängnis hatten eine deutliche Grenze zwischen ihnen gezogen. Wächter und Gefangener. Sie waren zwei vollkommen verschiedene Wesen und lebten so unterschiedlich, dass er die Wächter kaum ansehen konnte, wenn sie sein Gesichtsfeld passierten. Vor allem die Gardeuniform machte deutlich, dass er einem Teil der Menschheit angehörte, der weniger wert war. Von den anderen Insassen hatte er erfahren, dass die Gardeuniform 1941 für die Gefangenen eingeführt worden war, nachdem einer von ihnen geflohen war. Axel fragte sich, woher dieser Mann die Kraft dazu genommen hatte. Er selbst fühlte sich aufgrund von harter Arbeit, mangelhafter Ernährung, zu wenig Schlaf, zu vielen Sorgen um seine Familie zu Hause und viel zu viel Elend vollkommen leer und kaputt.
    »Jetzt musst du dich ranhalten!« Der junge Wächter stieß ihn an.
    Gehorsam beschleunigte Axel seine Schritte. Man konnte hart bestraft werden, wenn man zu spät zum Morgenappell kam.
    Als er die Treppe zum Hof hinunterging, stolperte er plötzlich. Er merkte, wie sein Fuß den Halt verlor, wie er vornüber und genau auf den jungen Wächter fiel, der vor ihm ging. Er ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht wiederzuerlangen, doch statt Luft fühlte er Uniform und Körper des anderen Mannes. Mit einem dumpfen Knall landete Axel auf dessen Rücken. Der Aufprall ließ die Luft aus seiner Lunge entweichen. Zuerst war er ganz still. Dann zerrten ihn Arme in die Höhe und stellten ihn wieder auf die Füße.
    »Er hat dich angegriffen«, sagte der Wächter, der ihn fest am Kragen gepackt hatte. Er hieß Jensen und war einer der brutalsten Aufseher.
    »Ich glaube nicht, dass …«, erwiderte der junge Wächter zögerlich, während er sich aufrappelte und seine Uniform abklopfte.
    »Er hat dich angegriffen, habe ich gesagt!« Jensen war knallrot im Gesicht. Er nutzte jede Gelegenheit, seine Macht zu missbrauchen und anderen das Leben schwerzumachen. Wenn er durch das Lager ging, teilte sich die Menge wie das rote Meer vor Moses.
    »Nein, er …«
    »Ich habe genau gesehen, dass er sich auf dich gestürzt hat«, schrie der Ältere und machte einen bedrohlichen Schritt nach vorn. »Willst du ihm eine Lektion erteilen oder soll ich es tun?«
    »Aber …« Der Wächter, der fast noch ein Junge war, warf zuerst Axel und dann dem Älteren einen verzweifelten Blick zu.
    Axel blieb gleichgültig. Er hatte längst aufgehört, zu reagieren und zu fühlen. Wenn etwas passierte, dann war es eben so. Wer sich gegen das Unvermeidliche sträubte, überlebte nicht.
    »Na, dann übernehme ich …« Der ältere Aufseher ging mit erhobenem Gewehr auf Axel zu.
    »Nein! Ich mache das! Es ist meine Aufgabe …«, sagte der Jüngling bleich und ging dazwischen. Er sah Axel fast entschuldigend in die Augen. Dann hob er die Hand und gab ihm eine Ohrfeige.
    »Soll das etwa eine Bestrafung sein?«, brüllte Jensen heiser. Inzwischen hatte sich eine kleine Menschentraube gebildet, und ein Grüppchen von Aufsehern lachte erwartungsvoll. Jede Unterbrechung des tristen Gefängnisalltags war willkommen.
    »Schlag fester zu!«, schrie Jensen, sein Gesicht war jetzt dunkelrot.
    Der Jüngling blickte Axel erneut in die Augen, doch der wich abermals seinem Blick aus. Da nahm der Junge Anlauf und stieß seine geballte Faust gegen Axels Kinn. Sein Kopf kippte nach hinten, aber noch stand er aufrecht.
    »Härter!«, riefen mehrere Wächter im Chor. Dem Jüngerenstand der Schweiß auf der Stirn, doch er suchte nicht mehr Axels Blick. Seine Augen hatten einen feuchten Schimmer, als er sich zu seinem Gewehr hinunterbeugte und es zum Schlag erhob.
    Reflexartig wandte ihm Axel die eine Seite seines Gesichts zu. Er wurde am linken Ohr getroffen. Es fühlte sich an, als ob etwas gerissen wäre, und tat unbeschreiblich weh. Der nächste Hieb traf ihn direkt von vorn. Dann konnte er sich an gar nichts mehr erinnern. Er spürte nur noch Schmerz.
    K ein Schild an der Tür deutete an, dass diese Räumlichkeiten Schwedens Freunden gehörten. Über dem Briefschlitz hing lediglich ein Zettel mit der

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