Engel aus Eis
und kam nicht zurück, bevor Sie … so freundlich waren, mich vom Flughafen abzuholen. Aber zwischen dem fünfzehnten und dem siebzehnten … So … Am fünfzehnten hatte ich ein Treffen in Brüssel, fuhr am sechzehnten nach Frankfurt und kehrte am siebzehnten zurück zur Zentrale in Paris. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen Kopien meiner Flugtickets zukommen lassen.« Er reichte Paula den Kalender.
Sie studierte ihn genau, schob ihn aber nach einem fragenden Blick zu Martin, der leicht den Kopf schüttelte, wieder über den Tisch.
»Ich glaube nicht, dass das nötig ist. Haben Sie aus dieser Zeitkeine besonderen Erinnerungen, die Erik betreffen? Ein Anruf? Hat er irgendetwas erwähnt?«
Axel schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Wie gesagt, mein Bruder und ich haben nicht oft telefoniert, wenn ich im Ausland war. Erik hätte mich wahrscheinlich nur angerufen, wenn das Haus in Flammen gestanden hätte.« Er lachte leise, verstummte dann aber jäh und strich sich wieder über die Augen.
»War das alles? Gibt es noch etwas, womit ich Ihnen helfen kann?« Behutsam klappte er den Kalender zu.
»Doch, da war noch eine Sache.« Martin sah Axel aufmerksam an. »Wir haben heute einen Per Ringholm wegen Körperverletzung verhört, und der erzählte uns, dass er versucht hat, Anfang Juni hier bei Ihnen einzubrechen. Erik hat ihn erwischt, in der Bibliothek eingesperrt und seinen Vater angerufen, Kjell Ringholm.«
»Den Sohn von Frans«, stellte Axel fest.
Martin nickte. »Genau. Per hat Teile eines Gesprächs zwischen Erik und Kjell mit angehört, im Laufe dessen die beiden sich für einen späteren Zeitpunkt verabredeten, weil Erik über Informationen verfügte, von denen er annahm, dass sie für Kjell von Interesse sein könnten. Ist Ihnen das bekannt?«
»Davon habe ich keine Ahnung.« Axel schüttelte heftig den Kopf.
»Haben Sie eine Idee, was Erik Kjell mitteilen wollte?«
Axel schwieg eine Weile. Er schien nachzudenken. Dann schüttelte er langsam den Kopf. »Nein, ich habe keine Ahnung, worum es sich gehandelt haben könnte. Allerdings hat Erik viel Zeit mit der Erforschung des Zweiten Weltkriegs verbracht, wozu natürlich auch der Nazismus dieser Zeit gehörte, während Kjell sich mit dieser Bewegung im heutigen Schweden beschäftigt hat. Ich könnte mir also vorstellen, dass er eine Verbindung entdeckt hatte, etwas von historischem Interesse, das Kjell als Hintergrundmaterial dienen konnte. Sie brauchen ihn doch nur danach zu fragen, dann kann er Ihnen selbst erzählen, worum es ging.«
»Wir wollen gleich weiter nach Uddevalla, um uns ein bisschen mit ihm zu unterhalten. Ich gebe Ihnen meine Handynummer fürden Fall, dass Ihnen noch etwas einfällt.« Martin reichte Axel einen Zettel, den dieser sorgfältig in seinen Kalender steckte.
Im Auto schwiegen Paula und Martin, doch ihre Gedanken bewegten sich in den gleichen Bahnen. Was war ihnen entgangen? Welche Fragen hätten sie stellen sollen? Sie wünschten beide, sie wüssten es.
»Wir müssen die Sache bald angehen. Lange kann sie nicht mehr zu Hause bleiben.« Herman sah seine Töchter mit einer so tiefen Verzweiflung an, dass sie seinem Blick kaum standhalten konnten.
»Das wissen wir, Papa. Du hast völlig recht, es gibt keine Alternative. Solange es möglich war, hast du dich um Mama gekümmert, aber nun müssen das andere Leute übernehmen. Wir werden einen wunderschönen Ort für sie finden.« Anna-Greta stellte sich hinter ihren Vater und legte die Arme um ihn. Als sie spürte, wie mager er unter dem Hemd war, erschauerte sie. Mutters Krankheit setzte ihm mehr zu, als ihnen bisher aufgefallen war. Vielleicht hatten sie es gar nicht bemerken wollen. Sie beugte sich nach vorn und legte ihre Wange an die von Herman.
»Wir sind da, Vater. Birgitta, Maggan und unsere Familien. Wir sind für dich da, das weißt du. Du musst dich nie einsam fühlen.«
»Ohne eure Mutter bin ich aber einsam. Dagegen kann man nichts machen«, sagte Herman tonlos und wischte sich hastig eine Träne aus dem Augenwinkel. »Aber ich weiß, dass es für Britta das Beste ist.«
Die Töchter sahen sich über den Kopf ihres Vaters hinweg an. Herman und Britta waren der Kern ihres Lebens gewesen, auf den sie sich immer verlassen konnten. Nun waren ihre Grundfesten erschüttert. Sie streckten die Arme nach einander aus, um wieder Halt zu finden. Es war erschreckend mit anzusehen, wie die eigenen Eltern schrumpften und schließlich kleiner wurden als man selbst. Dann musste man
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