Engel der Finsternis (German Edition)
wie aus dem Nichts aufgetauchten Engel fürchtete, war Rainald. Während Konrad schlagartig wieder nüchtern schreiend aus der Folterkammer stürmte, riss der Burgkommandant sein Schwert aus der Scheide und stürzte sich brüllend auf Agreas. Der hatte nicht mit solchem Kampfesmut gerechnet und wäre beinahe getroffen worden. Doch er gewann schnell die Oberhand. Seine Hand schloss sich um den Hals des Burgkommandanten und drückte unerbittlich zu, bis ein lautes Knacken erklang. Da flog die Tür auf.
28. Kapitel
„Meresin!“ Franzi erschrak, als sie ihn plötzlich im Folterkeller auftauchen sah. Er hatte sich nicht in einen Dämon verwandelt, sondern erschien als Engel. Harut war nicht weniger überrascht. Aber noch ehe er sich zur Wehr setzen konnte, flog er bereits in hohem Bogen durch den Keller und prallte gegen einen der Stützpfeiler in der Mitte des Raumes. Der hünenhafte Engel war sofort wieder auf den Beinen und stellte sich Meresin in den Weg. Alles geschah so schnell, dass Franzi den Bewegungen der Kämpfer kaum zu folgen vermochte. Beide breiteten ihre Schwingen aus und ballten ihre Hände zu Fäusten. Während Meresin ernst und konzentriert dreinblickte, brüllte Harut wie ein Löwe und schüttelte vor Kraft strotzend seinen Kopf.
„Endlich!“, schrie er und warf sich auf Meresin.
Nie zuvor hatte Franzi einen so erbitterten Zweikampf gesehen. Die beiden Engel flogen hoch, griffen sich in zwei Metern Höhe an, drehten sich umeinander und versuchten immer wieder die Flügel des Gegners zu packen. Meresin musste einige furchtbare Schläge einstecken, doch war er der Flinkere und ganz offensichtlich auch der Erfahrenere. Denn je länger die Auseinandersetzung dauerte, desto deutlicher wurde seine Überlegenheit. Harut brüllte zwar noch immer bei jeder Attacke, jedoch klang es nicht mehr so siegessicher wie zu Beginn. Seine Bewegungen wurden hektischer, immer öfter schlug er ins Leere, während Meresin einen verheerenden Treffer nach dem anderen landete. Schließlich musste Harut sich in den hinteren Teil des Kellers zurückziehen, wo Agreas noch immer neben der gefesselten Franzi stand und das sich ihm bietende Schauspiel gelassen verfolgte. Harut warf ihm einen kurzen Blick zu, aber Agreas dachte nicht daran, ihm zu Hilfe zu eilen. Stattdessen packte er Franzi erst an den Handgelenken und schließlich an den Knöcheln und befreite sie mit einem kraftvollen Ruck von den Fesseln, die sie an das Kreuz banden.
Harut war verloren. Meresin hatte ihn vor sich niedergezwungen und bereits einen seiner Flügel gebrochen. Hilflos drehte Harut sich um die eigene Achse und versuchte den Nachteil durch wilde, ziellose Schläge auszugleichen, doch Meresin ließ sich davon nicht beirren. Mit versteinerter Miene brachte er sein Werk zu Ende und vernichtete Harut auf dieselbe Weise, wie er es schon mit Balam getan hatte. Der Engel verschwand in einer grellen Lohe bläulich-weißer Flammen.
Genau in diesem Augenblick warf sich Agreas auf Meresin. Der hatte den Angriff erwartet und parierte den ersten Schlag mühelos. Meresin packte die Arme seines Gegners und hielt ihn mit eisernem Griff fest. Und Agreas tat dasselbe mit Meresin. Sie standen sich Auge in Auge gegenüber. Einzig das Zittern ihrer Körper zeigte, wie verbissen sie miteinander rangen. Für Franzi sah es beinahe so aus, als seien sie zu Stein erstarrt. Sie hörte sie weder keuchen, geschweige denn überhaupt atmen. Die Engel belauerten sich und Franzi kam es vor wie eine Ewigkeit. In Wirklichkeit dauerte es nur Sekunden, ehe beide durch die Luft wirbelten und sich gegenseitig gegen die Wände des Folterkellers schmetterten.
Starr vor Sorge um Meresin rührte Franziska sich nicht von der Stelle. Nicht einmal als die beiden ineinander verschlungen direkt vor ihr zu Boden stürzten. Irgendwie gelang es Agreas, oben zu bleiben. Er fasste an Meresins Schulter vorbei nach dem eingeklemmten Flügel seines Kontrahenten und Franzi schrie auf. Für einen kurzen Moment war Agreas abgelenkt. Der reichte Meresin jedoch aus, um sich aus der Umklammerung zu befreit und seinen Widersacher abgeschüttelt.
Agreas prallte gegen die Streckbank und stürzte zu Boden. Nun ragte Meresin über ihm auf und packte seine Flügel. Agreas hatte verloren. Er wusste es. Eine Gegenwehr war nicht mehr möglich. Bei einem weniger erfahrenen Krieger wäre es ihm vielleicht noch einmal gelungen, sich zu befreien, nicht aber bei Meresin. Angesichts des sicheren Todes rief Agreas:
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