Engel der Finsternis (German Edition)
dachte, ertrug sie auch die lüsternen, gierigen Blicke des Grafen und der anderen Männer, die mit offenen Mündern ihren nackten Körper anstarrten.
Als man ihr das Kleid vom Leib gerissen und sie auf die Streckbank gebunden hatte, wäre sie am liebsten im Boden versunken. So sehr schämte sie sich vor ihnen. Auch in den wenigen Augenblicken vor dem Beginn der Folterung konnte sie nur an ihre Nacktheit denken. Sie war sich so schutzlos und ausgeliefert vorgekommen. Nie zuvor in ihrem Leben war sie in dieser Weise von Männern angegafft worden. Und Franzi konnte nicht das Geringste dagegen tun. Die Männer starrten auf ihren haarlosen Unterleib und auf ihre makellosen Brüste wie Rossverkäufer auf dem Pferdemarkt. Oft genug hatte sie miterlebt, wie es zuging, wenn Zuchtstuten verkauft wurden. Die Verkäufer und die Käufer betasteten und begutachteten die Tiere von allen Seiten. Genauso blickten die Männer nun auf sie. Mit dem einzigen Unterschied, dass niemand sie berührte - noch nicht.
Franzi fürchtete nichts so sehr wie den demütigenden Moment, wenn man sie berühren würde. Sie hatte die Zangen gesehen, die hölzernen Keulen und die kleinen Metallringe. Der Henker hatte ihr auf Anweisung des Kaplans den Gebrauch der Instrumente erklärt. Es war eine übliche Vorgehensweise. Man hoffte, ein Geständnis zu erhalten, ohne etwas tun zu müssen. Also erläuterte der Henker ihr ausführlich und anschaulich, wie er ihr mit der Zange die Brustwarzen strecken oder abreißen würde. Franzi hatte nichts darauf erwidert. Allein die Vorstellung, dass er es tun würde, machte sie stumm.
Daraufhin hatte der Henker ihr eine birnenförmige Keule von der Länge eines Unterarms gezeigt und mit brutalem Grinsen erklärt, man führe dieses Gerät üblicherweise den Verbrechern von hinten ein. Bei Frauen gebe es aber noch eine andere Möglichkeit. Bei diesen Worten hatte er lustvoll gestöhnt und sie mit seinen schwieligen Fingern an der Stelle berührt, die er meinte.
„Lass sie!“, war der Kaplan dazwischen gegangen und der Henker zog seine Hand zurück.
Zuletzt hatte der Henker ihr dann den kleinen Metallring gezeigt, den man ihr in den Mund steckte, ehe man ihr heißes Wachs oder Wasser in den Rachen goss. Jauche war in ihrem Fall nicht vorgesehen, zumindest nicht am Anfang.
Franzi hatte die Instrumente längst vergessen, als der Kaplan sich über sie beugte. „Erleichtere dein Gewissen, mein Kind!“
Sie schüttelte den Kopf. Tränen rannen ihre Schläfen hinab. Das Gesicht über ihr machte Franzi Angst. Aber sie wollte stark sein für Meresin. Hieronymus schien ihre Gedanken zu erraten.
„Wieso schützt du diese Ausgeburt der Hölle?“ Er war mit seiner Geduld am Ende. Man konnte es deutlich hören. „Was fesselt dich an diesen Dämon? Hat er dir versprochen, dass er kommen und dich befreien wird?“
Franzi blinzelte sich die Tränen aus den Augen und blickte Hieronymus an.
„Er wird dich im Stich lassen. Du bedeutest ihm nichts. Wahrscheinlich liegt er gerade jetzt, da du wegen ihm leiden musst, mit einer anderen Frau im Stroh und vergnügt sich.“
Franzi ließ sich nicht beirren. Sie wusste, der Kaplan log. Meresin würde so etwas niemals tun - im Gegenteil. Wenn sie einen Grund hatte, sich um ihn zu sorgen, dann nur deshalb, weil er womöglich versuchen könnte, sie zu retten. Deswegen hatte Franzi auf dem Weg vom Kerker in den Folterkeller die ganze Zeit überlegt, ob es eine Möglichkeit gab, sich das Leben zu nehmen. Wenn sie tot war, hatte Meresin keinen Grund mehr, zu kommen und alles für sie aufs Spiel zu setzen.
Aber sie hatte bald erkennen müssen, dass es keinen Sinn machte, nach einem der herumliegenden Messer greifen zu wollen. Die beiden Soldaten waren ihr nicht von der Seite gewichen. Ihr blieb nur die Hoffnung, dass er nicht kommen würde. Meresin sollte nicht für sie sterben. Das würde sie nicht ertragen. Es wäre schlimmer als jede Folter.
„Bindet sie los und stellt sie auf die Beine!“, befahl Hieronymus dem Henker unwirsch und trat einen Schritt zurück. Mit seiner dunklen, weiten Kutte, dem harten Gesicht und den anklagend auf sie gerichteten Augen wirkte viel eher wie ein Racheengel ohne Flügel als ein Geistlicher, der im Namen Gottes den Menschen helfen und beistehen sollte.
Die Männer fesselten Franzi an ein x-förmiges Kreuz, das an der Wand des Folterkellers angebracht war. Mit weit ausgestreckten Armen und Beinen war sie mehr denn je den wollüstigen Blicken der
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