Engel der Kindheit
wagst, werde ich dich zu Grunde richten! Du würdest keine einzige schöne Sekunde mehr in deinem behüteten Leben finden, ich würde dich mit meinem Hass bis in den letzten Winkel der Erde verfolgen! Lass es nicht darauf ankommen, ich würde Mittel und Wege finden, die Firma deines Vaters zu ruinieren, du müsstest arbeiten gehen, um dir deinen Lebensunterhalt zu verdienen!“ Frostig blickte Nils ihr fest in die schrägstehenden Katzenaugen und erkannte darin, dass sie seine Warnung aufgenommen hatte. Aufrecht verließ er das Bad, wendete ihr seinen nackten Rücken zu, sich bewusst, dass er damit erneut ihren Ekel wecken würde.
Lena, seine Lena! Wie sanft war sie ihm über den Rücken gefahren, hatte seine Wunde versorgt und ihn umarmt, wie leidenschaftlich hatten sich ihre Finger über seinen nackten Rücken bewegt. Ihre Nägel hatten sich in sein Fleisch gegraben, als sie zusammen die Sphären der Leidenschaft erreicht hatten, die einzig und alleine für sie beide geöffnet worden waren.
Nie wieder hatte Marie-Luise einen ihrer Annäherungsversuche gestartet. So gut es ging, ging sie Nils aus dem Weg. Die Drohung hatte sie sehr ernst genommen, sie wusste, dass Nils Mittel und Wege finden würde, sie und ihren Vater zu ruinieren. Da sie die Qual der Schwangerschaft ein Mal auf sich genommen hatte, würde sie es bis zum Ende hinter sich bringen. Immerhin war dann ihr Vater zufriedengestellt, wenn sie ihm einen Enkel und Erben vorweisen konnte. Bis zur Mitte ihrer Schwangerschaft traf sie sich mit ihren Liebhabern, dann beendete sie die Beziehungen, die sie nach der Geburt wieder aufleben lassen würde.
In Ruhe konnte Nils seiner Arbeit nachgehen, ohne von Marie-Luise unterbrochen zu werden.
„Mathew, der Bug ist mir zu schmal! Ich möchte nicht, dass so etwas wie mit der `Charlotte´ noch einmal passiert!“ Nils lehnte, die Hemdärmel hochgekrempelt, die Krawatte gelöst und den Bleistift vor den Lippen, an dem großen Zeichenbrett.
Mathew Brown, der Techniker, mit dem er zusammenarbeitete, zeichnete an seinem neuesten Entwurf. Im letzten halben Jahr waren sie ein eingespieltes Team geworden, zu dem ebenfalls Henry Nelson, einer der Buchhalter und Finanzexperten von `Rodneys Sea Side´ gehörte.
„Das mit der `Charlotte´ war vorhersehbar gewesen, ich habe Samuel Rodney mehrmals darauf hingewiesen, aber er hörte nicht auf mich! Es war, wie damals bei der `Therese´, er setzte seinen Willen durch und Unschuldige kamen dabei ums Leben!“ Abwägend biss Mathew auf seine Unterlippe und sah sich den Entwurf noch einmal genau an. Ein braungebrannter, sportlicher Typ war er, den Nils auf vierzig Jahre schätzte.
„Wusstest du, dass sämtliche Aufzeichnungen der beiden Schiffe vom Polizeichef vernichtet wurden?“ Überlegend kaute Nils an dem Ende seines Bleistiftes.
„Hm, meint er und Samuel Rodney!“ Schnaubend lachte Mathew leise in sich hinein.
„Was willst du damit sagen?“ Sofort war Nils Interesse geweckt, scharf blickten seine engstehenden Augen sein Gegenüber an.
„Meine Pergamente, die ich damals angefertigt habe, die liegen bei mir zu Hause.“ Ein unsicherer Blick traf Nils. „Du verrätst mich nicht, oder?“
„Bestimmt nicht!“ Drei Finger hob er zum Schwur. „... Kann ich die Pergamente bekommen?“, fragte er vorsichtig.
Misstrauisch tasteten die Blicke der beiden Männer sich ab. Keiner traute dem Anderen über den Weg. Das Gespräch, das sie hier führten war zu heiß, zu prekär, um auf die leichte Schulter genommen zu werden.
„Was möchtest du damit?“ Schon jetzt bereute Mathew, überhaupt etwas davon erwähnt zu haben. Niemand sollte je davon erfahren. Teuflisch ärgerte er sich über seinen nicht wiedergutzumachenden Fehler. Schließlich war Nils der Schwiegersohn von Rodney, auch wenn er ihn für fair und korrekt hielt, steckten sie doch alle unter einer Decke!
„Man kann nie wissen, wann man ein Ass aus dem Ärmel ziehen muss!“ Mit geradem Blick und offenen Augen sah Nils Mathew an.
„Nils,... warum... warum hast du die Rodney Tochter geheiratet?“ Messerscharf, durchbohrend und fragend war Mathews Blick.
„Ich wurde von ihr gelinkt, in eine Falle gelockt und ehe ich es bemerkt hatte, war es zu spät. Sie erwartete mein Kind und stellte die Bedingung, dass ich sie heiraten musste. Ich hätte abhauen können, aber ich dachte an das Kind, dem ich nicht zumuten wollte, ohne meinen Schutz bei Marie-Luise groß zu werden! Ich hatte damals, als die `Charlotte´
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