Engel der Kindheit
Sterne am wolkenlosen, dämmrigen Firmament. Streichelnd wehte eine leichte Brise über seine Haut.
Befriedigt hörte Nils, wie Marie-Luise mit aller Wucht die schwere Eingangstür des Wohnzimmers zuwarf.
Unglücklich trank er seinen Whiskey aus und versuchte seine Gedanken auf die überwältigende Nachtansicht des Hafens zu lenken. Schwankende Segelschiffe trieben auf den leichten Wellen dahin und ein berauschendes Lichtermeer breitete sich unter ihm aus. Doch immer wieder schweiften sie ab zu Lena, seiner Lena, von der er nie wieder etwas hören würde. Höllisch glühte sein ausgebranntes, schmerzendes Herz in seiner Brust.
Nach Mitternacht machte er sich auf den Weg in ihr gemeinsames Schlafzimmer. Unnachgiebig hatte Marie-Luise darauf bestanden, dass sie in einem Bett schliefen. Ihm war es gleichgültig, sie hatte keine Macht mehr über ihn!
Nils knipste nicht den Lichtschalter an, im Dunkeln entledigte er sich seinen Kleidern, warf sie achtlos über eine Stuhllehne, und tastete nach dem Bett. Hellhörig lauschte er auf Marie-Luises regelmäßige Atemzüge, ortete die Richtung, aus der sie kamen und entfernte sich von dieser Seite des Bettes. Tastend suchte er zuerst die Bettdecke ab, bevor er sich im Slip und Unterhemd in das Bett legte.
Lange lag er noch wach, ehe er in einen traumlosen Schlaf fiel.
Am nächsten Morgen wurde er von den kitzelnden Sonnenstrahlen geweckt, die direkt auf sein Gesicht fielen. Kurz drehte er sich zu Marie-Luise um, die schlafend neben ihm im Bett lag. Ehe er sich erhob und in das angrenzende Badezimmer ging, sah er in ihr ungeschminktes Gesicht, das leer und leblos wirkte.
Ein über die gesamte Länge der Wand eingebauter Spiegelschrank beherrschte Nils ersten Blick. In der Decke eingelassene Halogenlichter beleuchteten jeden Winkel des mit schwarzem Granit gefliesten Bades. Gleichgültig öffnete Nils die glasklare Türe, die die Dusche von dem Raum abtrennte und drehte die verschiedenen goldenen Hähne auf. Drei Duschköpfe pro Seite waren an der schwarzglänzenden Wand angebracht, aus dem siebten, oberen Duschkopf, kam das Wasser gebündelt, wie aus einem rauschenden Wasserfall. Herrlich ergossen sich die starken Wasserstrahle über seinen nackten, muskulösen Körper. Ausgelaugt schloss Nils die Augen, spürte das wohltuende, belebende Wasser und spürte plötzlich eine Hand zwischen seinen Beinen.
„Lass es!“ Brüllte er ihr entgegen. „Verschwinde oder ich bringe dich um! Lass mir meine Ruhe, geh’ zu einem Anderen und lass dich von ihm packen, aber verschone mich ein für alle Mal!“ Wütend herrschte er Marie-Luise an, die sich in ihrer nackten Schönheit wollüstig vor ihm posierte. Verärgert drehte Nils die verschiedenen Hähne zu, bis nur noch einzelne Wassertropfen aus den Duschbrausen tropften.
Mit schockierten, weit aufgerissenen Augen starrte Marie-Luise auf Nils nackten Oberkörper. Schreckensgeweitet stand ihr Mund offen, wie in Zeitlupe legte ihre Hand sich darüber.
„Mein Gott, das sieht ja abstoßend aus! Das ist ja das Widerlichste, das ich je in meinem Leben gesehen habe! Oh, pfui Teufel! Dein Körper sieht aus, wie wenn du jahrelang gefoltert worden wärst! Das ist so abscheulich!“ Voller Ekel war ihr Blick, voller Abscheu wendete sie sich hastig ab. Deutlich hörte Nils, wie sie sich an der Toilette übergab.
Lächelnd trat er aus der Dusche, wickelte ein Handtuch um seine Hüften und sah abfällig zu, wie sie würgend über der Toilettenschüssel lehnte.
„Tja, Prinzessin, du hättest bessere Erkundigungen einziehen sollen, bevor du mich für den Vater deines Kindes auserkoren hast. Ich wurde jahrelang von meinem Vater misshandelt und habe mich nicht gewehrt! Pech, für dich und deinen Vater! Ich bin nicht der, für den du mich gehalten hast!“ Zynismus tropfte aus Nils Stimme.
Kreidebleich drehte Marie-Luise, sich an der Toilettenschüssel festhaltend, den Kopf in Nils Richtung. „Du denkst doch nicht, dass ich dein Kind bekommen werde, das Kind eines Monsters, oder dass ich die Ehe mit dir aufrechterhalten werde! Ich lasse sie annullieren!“ Hysterisch kreischte Marie-Luise, wischte sich mit einem Handtuch, das sie danach achtlos zu Boden warf, über den Mund, stand auf und sah ihn wie dahinfließenden Abschaum an.
„Das wirst du nicht tun! Du wirst dieses Kind nicht töten! Und wenn ich dich neun Monate lang bewachen muss, aber ich lasse nicht zu, dass mein Kind in einzelnen Fetzen aus dir herausgerissen wird! Wenn du es
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