Engel der Kindheit
einem Krankenhaus, weil ihr dort besser geholfen werden kann!“ Traurig fuhr Nils seinem Sohn über die glatten Haare. Glücklich hielt Sam seinen Teddybären im Arm und kuschelte sich an sein weiches Fell.
„Gehen wir nicht mehr zu Mutter zurück?“ Hoffnungsvoll leuchteten seine Augen.
„Nein! Wir gehen nicht mehr zurück!“ Diesen Entschluss hatte Nils während der Fahrt ins Krankenhaus gefasst. Er gehörte nicht nach Australien. Seine Arbeit gefiel ihm nicht mehr, er verbrachte die Zeit hinter dem Schreibtisch, während Mathew die Schiffe konstruierte, die er gerne mit ihm zusammen entworfen hätte. Um ein Haar hätte er gestern Abend Marie-Luise getötet. Es war die gleiche Situation, wie damals, als er geflohen war, um seinen Vater nicht zu ermorden. Diesen nicht bezähmbaren Hass fühlte er in sich, vor dem er fliehen musste, wenn er nicht als Mörder hinter Schloss und Riegel landen wollte. Allein für seinen Sohn musste er der Versuchung widerstehen! In seinem Heimatland Deutschland würden sie ein neues Leben beginnen! Geschickt müsste er seine Asse ausspielen, die er im Ärmel hatte. Weder Marie-Luise, noch Samuel würden sich ihm entgegenstellen können, wenn sie sich nicht für ihre Vergehen vor dem Richter rechtfertigen wollten, die sie anhand der Beweise für mehrere Jahre ins Gefängnis bringen würde. Wenn er in Deutschland war, würde er die wertvollen Unterlagen in einem verschlossenen Kuvert bei einem Notar hinterlegen. Mit den Kopien würde er noch einmal nach Australien fliegen und seine Scheidung und das Sorgerecht für Sam erpressen. Sollte ihm etwas geschehen, würde der Notar die Unterlagen an die internationale Polizei übergeben. Was dann mit Sam geschehen würde, darüber wollte er sich keine Gedanken machen.
Vielleicht konnte er Sven und Alison dazu gewinnen, mit ihm zusammen eine Schiffsbaufirma in Hamburg zu eröffnen. Seine Ideen waren gut, er verstand etwas vom Geschäftlichen, Sven beherrschte den Roh- und Innenausbau der Schiffe, Alison konnte mit ihm zusammen die modernsten, schnellsten und sichersten Segelschiffe, Jachten und Boote konstruieren.
Schläfrig war Sams Kopf an seine Schulter gefallen, friedlich schlief er ein.
Geldsorgen brauchte er sich keine zu machen. Den Erlös des Hauses seiner Eltern hatte der Notar günstig angelegt, auf dieses Geld könnte er zu jeder Zeit zurückgreifen. In den letzten Jahren hatte er zu den Spitzenverdienern in Australien gehört. Außer ihm hatte niemand Zugang zu seinem Konto. Nahezu sein ganzes Geld hatte er gespart. Die Kosten der Villa und der Bediensteten, der Autos und Lebensmittel, waren allesamt von Samuel übernommen worden. Pflichtschuldig hatte Nils die Kosten übernehmen wollen, doch Samuel war der Meinung gewesen, dass er das seiner Tochter schuldig wäre.
Vor dem Fließband wartete Nils auf seine Koffer. Den Flug hatten sie problemlos überstanden. Mickey war in eine kleine Transportbox gekommen, ihn würden sie abholen, nachdem sie das Gepäck geortet hatten.
Müde rieb Sam sich die Augen und streckte sich ausgiebig.
„Papi, ist es jetzt noch weit?“ Verschlafen stand er vor dem Förderband und sah den Koffern zu, die ständig im Kreis fuhren, von ihren Besitzern ergriffen wurden oder eine weitere Runde drehten.
„Es ist nicht mehr weit!“ Sofort würde Nils sich einen Mietwagen nehmen und direkt zum Krankenhaus fahren. Geschickt nahm er ihre Koffer von dem Band, dann holten sie Mickey ab, den Sam liebevoll auf den Arm nahm. Problemlos trug Nils die Koffer, regelte den Schriftverkehr mit der Leihwagenfirma, sie luden ihr Gepäck ein, Sam wurde auf dem Rücksitz von Nils festgeschnallt, dann fädelte er sich in den abendlichen Berufsverkehr ein und fuhr direkt zum Krankenhaus, das ihm Lena genannt hatte. In Strömen regnete es, ein kalter Wind peitschte den Regen gegen die Scheiben.
Den Wagen parkten sie in der Tiefgarage. Geschwind gingen sie mit Mickey kurz an einen Grünstreifen vor dem riesigen Komplex des Krankenhauses, wo er sich erleichtern konnte. Ihn würden sie im Auto lassen, Nils hoffte, dass er nicht sämtliche Sitze ruinieren würde, bis sie wiederkommen würden.
Ernsthaft nahm Nils Sam an der Hand, sie fuhren mit dem Aufzug in das Erdgeschoss des Kinderkrankenhauses. An der Pforte fragte Nils nach Babs Johle. Der Pförtner nannte ihnen die Station und das Zimmer, indem seine Tochter lag.
Beklemmend tief atmete Nils ein, bevor er sich mit Sam auf den Weg zu dem Krankenzimmer
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