Engel der Kindheit
muss etwas Wichtiges sein, wenn meine Sekretärin mich zu sprechen wünscht!“ Verärgert stand Nils auf. Die ganze Verhandlung lag ihm sowieso nicht, jetzt wurde er auch noch unterbrochen. Er hatte extra sein Handy ganz ausgeschalten, um nicht gestört zu werden.
Verärgert schloss Nils hinter sich die Türe zum Konferenzraum. „Smithy, was soll denn das? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich auf keinen Fall gestört werden will!“, zischte Nils seine Sekretärin leise an, aber Lena verstand jedes seiner Worte.
„Tut mir leid! Eine Frau ist am Telefon, sie hat geweint und gesagt, es geht um Leben und Tod, ich konnte sie nicht abwimmeln!“ Entschuldigend zuckte sie die Schultern.
„Smithy, Sie haben ein zu gutes Herz! Und mir ruinieren Sie damit die Fusionsverhandlungen!“ In Nils Stimme lag ein Lächeln.
„Soll ich Ihnen das Gespräch in Ihr Büro legen?“
„Nein, ich nehme es hier entgegen, so wichtig wird es nicht sein! ... Wer ist es denn?“ Energisch griff Nils nach dem Hörer auf dem Schreibtisch seiner Sekretärin.
„Eine Frau Johle!“
„Oh, mein Gott!... Legen Sie mir das Gespräch sofort in mein Büro!“ Auf Höchstleistung beschleunigte sich Nils Puls, eine kalte Hand griff nach seinem Herzen. Lena! Wenn Lena... er durfte gar nicht daran denken. Der Asthmaanfall fiel ihm ein. Wenn sie nun...
Knallend schloss Nils die Türe zu seinem Büro und eilte zu dem klingelnden Telefon. „Keller!“
„Nils, Lena hier!“ Nur mit Mühe konnte sie die Tränen unterdrücken, ihr Asthmaspray hatte sie griffbereit, sie spürte, wie ziehend ihre Atmung ging.
„Lena! Oh Gott sei Dank, du lebst!“ Übermächtig kämpfte Nils mit den Tränen, die seine Augen füllten.
„Nils, ich... wir brauchen deine Hilfe!“ Überwältigt hielt Lena sich die Hand vor den Mund, die Tränen hatten sich ihren Bann gebrochen, laut schluchzte sie auf.
„Was ist geschehen?“ Mit beiden Händen hielt Nils den Hörer fest in seiner Hand.
„Babs, das kleine blondgelockte Mädchen,... du hast sie bei meinen Eltern gesehen,... sie hat Leukämie...“, verzweifelt weinte Lena in den Hörer. „Ich...“, nur mühsam bekam sie Luft, sie setzte das Spray an die Lippen.
„Nils,... könntest du dich bitte testen lassen,... wir alle können ihr nicht helfen, unsere Werte passen nicht zu ihren... vielleicht kommst du als Knochenmarkspender in Frage! Bitte!“ Fassungslos bemühte Lena sich, die Tränen zurückzuhalten, was ihr nicht gelang.
„Natürlich lasse ich mich testen! Aber Lena, wie kommst du gerade auf mich?“ Körperlich spürte er ihre vollkommene Verzweiflung. Wie gerne hätte er sie getröstet. Es war schrecklich, dass ein kleines Mädchen Leukämie hatte, aber er war unendlich dankbar, dass es Lena gut ging. Todesängste hatte er ausgestanden.
„Sie... Nils,... Babs ist... unsere Tochter!“
Wie ein Hammerschlag traf ihn das Gehörte. Heiß und kalt wurde es Nils gleichzeitig, Schweißperlen standen plötzlich auf seiner Oberlippe. Gedanklich musste er erst verarbeiten, was er gehört hatte.
„Lena, das kann doch nicht... warum hast du mir nie etwas gesagt?“ Energielos war Nils in seinem Sessel zusammengesunken. Hart massierte seine Hand die dünne Nasenwurzel.
„Wann hätte ich es dir sagen sollen? Als du in Australien angekommen bist? Als du endlich dein neues Leben begonnen hattest oder als deine Frau ein Kind von dir bekam? Wann, Nils? Sag mir wann?“ Bitter und vorwurfsvoll kamen die Worte über ihre Lippen, die sie so lange in ihrem Inneren versteckt hatte.
„Lena, es tut mir so leid! ... Alles! ... Ich werde sofort in die Klinik fahren!“ Das war das Einzige, das er als Entschuldigung vorbringen konnte.
„Nils, könntest du vielleicht deinen Sohn auch testen lassen? Ich weiß, dass es viel verlangt ist, aber ich habe solche Angst, dass sie mir unter den Fingern wegstirbt! Der Arzt sagt, dass ihre Chancen nicht gut stehen! Nils, ich liebe sie so sehr!“ Außer sich stützte Lena hoffnungslos die Stirn in die Hände.
„Natürlich nehme ich Sam mit! Lena, bitte halte durch, ich komme!“ Eindringlich sprach er ihr Mut zu.
„Du brauchst nicht zu kommen! Unter der Faxnummer, die ich dir gebe, kann dein Arzt die Untersuchungsergebnisse in das Krankenhaus senden!“ Ermattet wartete Lena, bis Nils sich die Nummer und die Daten des Krankenhauses notiert hatte.
„Danke, Nils! Bitte schiebe es nicht auf die lange Bank! Der Arzt hat gesagt, dass jeder Tag zählt!“ Erneut musste Lena
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