Engel der Kindheit
dann wollte sie Schiffsbau studieren. Ihr Vater war der Meinung, sie solle einen Beruf erlernen, der für Frauen geeigneter war.
Es blieb abzuwarten, wer von ihnen siegen würde.
An ihrem offenen Essecke, neben der Küchenzeile, saßen Nils und Sven am Abend und aßen ihren mitgebrachten Imbiss vom Chinesen an der Ecke. Normalerweise hatten sie ihre ausgebleichten Teakholzmöbel auf der Terrasse, aber es war in Sydney Winter und mit acht Grad verhältnismäßig kalt, außerdem regnete es in Strömen.
„Ich kann es jetzt dann nicht mehr ertragen, immer nur diesen Schnellimbissfraß! Ich habe Lust auf ein Leberwurstbrot oder eine dicke Scheibe Schinkenwurst!“ Angewidert schob Nils das Essen von sich.
„Dann müssen wir halt mal zu einem Metzger gehen und schauen, was der zu bieten hat!“ Mit gutem Appetit aß Sven weiter und zog sich Nils Portion zu sich.
„Die Tochter von Samuel Rodney hat dich heute Nachmittag mit ihren Katzenaugen aber verschlungen!“ Neugierig wartete Sven Nils Reaktion ab.
„Dich dafür die Tochter von James! Im ersten Moment dachte ich, Lena würde zur Türe herein kommen! Sie ist ein nettes Mädchen!“ Genüsslich trank Nils einen Schluck von seinem Rotwein, den er in dem großen Kelch kreisen ließ.
„Du weißt, dass ich mich nicht auf eine Beziehung einlassen werde. Ich habe keine Gefühle mehr in mir!“ Bedauernd blickte Sven auf den glatten Tisch, der, obwohl er ständig dem Wetter ausgeliefert war, eine unglaublich glatte Oberfläche hatte. Früher waren die ersten Segelschiffe aus Teakholz gearbeitet worden. Von den gekenterten Wracks wurden Möbel gefertigt. Man stellte fest, dass das Holz jeder Belastung standhielt. Die Menschen begannen, den Regenwald dafür abzuholzen.
„Es würde auf einen Versuch ankommen, meinst du nicht? Sie sieht einfühlsam und zärtlich aus, vielleicht würde dir das gut tun?“ Gewohnheitsmäßig strich Nils sich über seine raue, bärtige Wange. Noch immer hatte er keine Zeit gefunden, sich zu rasieren.
„Weißt du, ob ich dafür überhaupt noch empfänglich wäre, oder ob ich nur noch auf Grobheit, Brutalität und Schmerz reagiere? Ich habe keine Lust es auszuprobieren!“ Leicht zitterte Svens Hand, als er sich durch die kurzen Haare fuhr.
„Ich glaube es nicht, sonst hättest du diese Seite an dir schon lange ausgelebt!“ Nils erhob sich, trug seinen Plastikbecher zum Mülleimer, wusch das Besteck ab und ließ seinen Freund mit seinen Gedanken alleine. Heute hatte er endlich wieder Zeit Lena zu schreiben, da morgen Wochenende war und er lediglich in der Werft arbeiten musste.
Wie gerne würde er ihre Stimme hören, aber im Strandhaus gab es kein Telefon, außerdem die Zeitumstellung und das Geld...
Verträumt setzte Nils sich an seinen Schreibtisch, von dem aus er den Blick über den Westteil des Hafens hatte, nahm sein weißes Briefpapier und seinen Kugelschreiber zur Hand und begann Lena alles zu schreiben, was ihm auf der Seele brannte. Wenn er die Augen schloss, sah er sie vor sich, wie anmutig sie über die Wiese vom Schuppen weg zu ihrem Garten rannte, wie liebevoll sie mit jedem kleinen Lebewesen umging und er spürte ihre Berührungen auf seiner Haut, ihre weichen Lippen, die sich ihm entgegen hoben und ihre Arme, die sich an ihn klammerten. Schrecklich vermisste er sie und verzehrte sich nach ihrer Zärtlichkeit.
10. Kapitel
Heute Mittag war Lena mit ihren Eltern und Babs auf Amrum angekommen. Wie immer war ihr erster Weg zur Seehundstation. Behutsam legte sie Babs in den Kinderwagen und fuhr mit ihr über die geschotterten Wege, bis sie von weitem den Eingangsbereich sah. An der Kasse bezahlte sie ihr Eintrittsgeld, da die Kassiererin sie nicht kannte.
Sobald sie an das Seehundbecken herangetreten war, wurde sie von Torsten und Imke entdeckt.
„Mensch, Lena! Schön dich zu sehen, komm rein!“ Sichtlich erfreut öffnete Imke ein kleines Tor, das als Barriere für die Besucher diente.
Geschwind nahm Lena Babs auf ihren Arm und trat auf den weichen, aufgeschütteten Sand hinter der kleinen, niederen Mauer.
„Wer ist denn das?“ Verwundert griff Torstens Hand nach Babs kleinem Händchen, die sich ihm lebhaft entgegenstreckte.
„Das ist meine Tochter Babs!“
Perplex sahen die beiden Lena an, die ihnen strahlend entgegen lächelte.
„Ich wusste gar nicht, dass du verheiratet bis!“ Zaghaft streichelte Imke Babs rosige Wange.
„Bin ich auch nicht!“ Gemütlich setzte Lena sich
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