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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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so einfach, wie sie sich das gedacht hatte,
war dies allerdings nicht gewesen, und sie konnte von Glück sagen, dass ihr niemand
auf die Schliche gekommen war. Als Frau, noch dazu als Tochter eines Baders, hätte
sie wohl kaum auf Gnade hoffen können, weshalb sie es vorzog, die Gedanken an mögliche
Konsequenzen zu ignorieren.
    Angesichts des Geruchs, welcher den drei Leichnamen
entströmte, fiel ihr dies jedoch nicht leicht. Leichendiebstahl war und blieb ein
Kapitalverbrechen, was bedeutete, dass ihr Leben an einem seidenen Faden hing. Nur
dann, wenn ihr Plan glückte, durfte sie auf Gnade hoffen, trat das Gegenteil ein,
war es verwirkt. Und dasjenige der alten Irmtrud, um derentwillen sie es aufs Spiel
gesetzt hatte, mit dazu.
    Überhaupt – dieser Geruch! Bildete sie sich
dies bloß ein oder hatte er während der letzten Viertelstunde deutlich zugenommen?
Voll und ganz auf ihre Aufgabe konzentriert, schloss Melusine die Augen und tat
ihr Bestes, um den vom Seziertisch emporsteigenden Brodem nicht zu beachten. Dies
gelang ihr mehr schlecht als recht, und wären die Kräuterbüschel nicht gewesen,
welche Irmtrud überall aufgehängt hatte, hätte der Ekel, welcher sie überkam, vermutlich
die Oberhand gewonnen.
    So aber ließ sie den Blick ein letztes Mal über
die drei Leichname schweifen, entfernte das Leinentuch, mit dem der Körper von Egberta
Tuchscherer verhüllt war, und griff ohne Zögern zum Skalpell.
    Und tat, was sie tun musste.
     
    *
     
    Er war auf der richtigen Spur. Und er war, seit er sich der Aufklärung
von Verbrechen verschrieben hatte, mit Dingen in Berührung gekommen, wie sie die
schwärzeste aller Fantasien nicht ersinnen konnte. Er war auf der Jagd nach Satansjüngern,
Reliquiendieben, gewöhnlichen Kriminellen und solchen gewesen, denen er die Schandtaten,
welche sie begangen hatten, nie und nimmer zugetraut hätte. Vor allem aber hatte
er geglaubt, diesbezüglich mit jeder nur erdenklichen Situation und mit jedem wie
auch immer gearteten Anblick fertig werden zu können. Pflegte er sich doch bezüglich
der Verderbtheit mancher Erdenbürger keinerlei Illusionen hinzugeben.
    Kurzum: Er bildete sich ein, ihn könne nichts
mehr erschüttern.
    Und wurde eines Besseren belehrt.
    Es begann damit, dass er, von der Rödergasse
kommend, in die Rosengasse einbog. Die Beschreibung, welche die alte Irmtrud ihm
gegeben hatte, stets präsent, tauchte er in das bedrückende Halbdunkel ein, vorbei
an einem Rattenkadaver und einem Hausschwein, das einen Abfallhaufen durchwühlte
und keine Anstalten machte, das Weite zu suchen. Der Bibliothekarius rümpfte die
Nase. Der Gestank von erkaltetem Rauch, Speiseresten und Hundekot hing in der Luft,
nichts für ihn und seinen empfindsamen Magen. Freiwillig hätte sich kaum jemand
hierher begeben, schon gar nicht um diese Zeit. Ihm freilich blieb keine andere
Wahl, wollte er den Fall, der ihm mehr zusetzte als er sich eingestand, zu einem
erfolgreichen Abschluss bringen.
    Bis dahin galt es, auf der Hut zu sein, nichts
und niemanden, der sich verdächtig gemacht hatte, außer Acht zu lassen. Vor allem
aber galt es, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, insbesondere im Hinblick darauf,
wer die Schuld am Tod von Egberta Tuchscherer trug. Diesbezüglich war er um einiges
schlauer geworden, wenngleich nach wie vor außerstande, unwiderlegbare Beweise zu
liefern.
    Doch das, hoffte er, würde sich baldmöglichst
ändern. Bruder Hilpert verlangsamte den Schritt und wandte seine Aufmerksamkeit
den Behausungen zu, deren Umrisse aus dem Halbdunkel auftauchten. Diese als Häuser
zu bezeichnen, wäre übertrieben gewesen. Bis auf ein, zwei Ausnahmen bestanden ihre
Wände aus Flechtwerk, Lehm und Kieselsteinen, die Dachschindeln aus Schiefer, mitunter
sogar aus Stroh. Überfrorene Pfützen säumten seinen Weg, und aus dem Rinnstein stiegen
übelriechende Dämpfe empor. Je weiter er sich von der Rödergasse entfernte, desto
mehr wähnte er sich in frühere Jahrhunderte zurückversetzt und desto stärker beschlich
ihn das Gefühl, die Zeit stehe still. Vielleicht lag dies daran, mutmaßte er, dass
diese Häuser vor nicht allzu langer Zeit noch außerhalb des Mauerringes gelegen
und die dort wohnhaften Einwohner, auch Pfahlbürger genannt, nicht gerade zur feinen
Gesellschaft gezählt hatten.
    Darauf bedacht, Schwierigkeiten aus dem Weg
zu gehen, schlich Bruder Hilpert weiter und sah sich suchend um. Abgesehen von einem
Hund, dessen klägliches Gewinsel aus dem Inneren einer

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