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Engel der Schuld Roman

Titel: Engel der Schuld Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Wunder aufgetaucht, höre ich.«
    »Hören Sie von wem?«
    Er zog es vor, nicht zu antworten, wandte den Blick von ihr ab und entdeckte die mit pastellfarbenen Pfefferminzbonbons gefüllte Kristallschale an der oberen rechten Ecke des Schreibtischs. Er fischte sich ein grünes heraus und stellte sich wieder ihrem Blick, als er es auf seine Zunge legte.
    »Die Kautionsverhandlung ist heute morgen?«
    Ellen mußte sich zwingen, den Blick von seinem Mund abzuwenden, doch ihn nach oben zu lenken war ein Fehler, denn da waren seine Augen – wachsam, beständig . . . amüsiert.
    Sie nahm ihre Aktentasche und ging um ihn herum. »Ja, die Kautionsverhandlung ist heute morgen. Ich bin sehr beschäftigt. Wenn Sie einen Termin vereinbaren wollen, dann machen Sie das auf dem Weg nach draußen.«
    Jay ignorierte den Rauswurf. Er räumte ihr Territorium hinter dem Schreibtisch und schlenderte zurück zum Bücherregal, wo er die Titel ihrer CD-Sammlung überflog. Ruhige, ordentliche Musik: Mozart, Vivaldi; New-Age-Künstler: Philip Aaberg, William Ackermann. Hintergrundmusik. Nichts, was sie von ihrer Arbeit ablenken konnte. Nichts, was einen Hinweis auf die Frau hinter der kühlen Fassade gab. Aber dieser Mangel schien sein Interesse noch zu steigern.
    »Sie können mich Jay nennen«, bot er an.
    »Ich kann auch den Sicherheitsdienst rufen und Sie hinauswerfen lassen.«
    Die Drohung prallte ab. »Glauben Sie, man wird ihn auf Kaution freilassen?«
    »Wenn es nach mir geht, nicht.«
    Sie nahm auf ihrem Stuhl Platz und setzte sich eine strenge Lesebrille auf. Falls es in ihrer Absicht lag, ihre Weiblichkeit zu verstecken oder zu dämpfen, war es ein kläglicher Fehlschlag. Die Brille war ein guter Kontrast zu ihrem Aussehen und keine Deckung. Er konnte sich vorstellen, wie es wäre, sich einfach über den ordentlichen Schreibtisch zu beugen, die Brille von ihrem Gesicht zu nehmen oder Ellen zu küssen und ihre Überraschung zu beobachten, wenn die Gläser beschlugen.
    Er hatte den teuflischen Drang, sie aus der Fassungzu bringen, aber er würde ihn bezähmen. Zumindest für den Augenblick. Er strapazierte ihre Geduld ohnehin schon über dieMaßen, obwohl er sich auch sagen konnte, daß dies ein entscheidender Teil seines Vorgehens war. Er wollte mehr über sie wissen, und sie gehörte nicht zu jenen Frauen, die einem ohne weiteres Einsicht gewähren. Andererseits war es für ihn von allergrößter Wichtigkeit, sie zu kooperativem Verhalten zu bewegen, falls er beschließen sollte, diesen Fall zu seinem nächsten Bestseller zu machen.
    Der Fall hatte alle notwendigen Ingredienzien – einen faszinierenden Verbrecher, Opfer, mit denen man Mitleid haben konnte, eine Umgebung, die die Leser beeindrucken würde, ein Verbrechen mit komplizierten Wendungen, die Extras, die Nebengeschichten, die ihn über eine normale Zeitungsstory hinaushoben. Und das Wichtigste: Es war schon lange her, daß ihn etwas so sehr fasziniert hatte. Er wußte noch nicht, wie er die Sache angehen, ob er sie überhaupt in Angriff nehmen würde. Zu diesem Zeitpunkt wußte er nur eins: Er wollte mehr wissen, und er brauchte diese Ablenkung – dringend.
    Er setzte sich langsam in den Besucherstuhl. »Wenn er im Knast bleibt, haben Sie weniger Zeit, sich auf die Anhörung vorzubereiten.«
    »Da mache ich mir keine Sorgen.«
    Er nahm einen violetten Briefbeschwerer von einem Stapel von Berichten, packte ihn wie einen Baseball, mit dem er gerade einen Slider werfen wollte. Der Slider war ein toller Wurf. Sein persönlicher Lieblingswurf. Er sah aus, als würde er in eine Richtung gehen, explodierte aber in eine andere.
    »Sie könnten eine erschwingliche Kaution festsetzen«, schlug er vor. »Sich ein bißchen Zeit erkaufen.«
    Ihre Augenlider hoben sich über den Rand der Brille. »Und einen Kidnapper freilassen, einen Mann, der eine Polizeibeamtin brutal angegriffen hat?«
    »Er hat diese Verbrechen mutma ß lich begangen. Was ist aus dem Grundsatz geworden, daß der Angeklagte bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig zu gelten hat?«
    »Das ist was für Geschworene und Narren. Und wenn Sie mich damit zitieren, zerre ich Sie vor Gericht und mache Sie fertig. Ich werde nicht dulden, daß Garrett Wright aus dem Gefängnis entlassen wird.«
    »Was sollte er denn tun, wenn er rauskommt?« stichelte Jay. »Noch ein Kind entführen? Das kann ich mir nicht vorstellen. So dumm ist er nicht . . . Falls er überhaupt Ihr Mann ist.«
    »Er ist unser Mann.«
    »Und wer hat

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