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Engel der Verdammten (German Edition)

Engel der Verdammten (German Edition)

Titel: Engel der Verdammten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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nicht wenige Frauen, die im Laufe ihres Berufslebens zehn, fünfzehn Abtreibungen über sich ergehen lassen müssen. Das hat mit freiwillig und selbstbestimmt nichts zu tun.«
    »Das ist alles richtig«, sagte Sabine schroffer, als sie es vielleicht beabsichtigte. »Aber nur wenn sich die Prostitution in legalen Bordellen abspielt, hat die Polizei auch die Chance, denen zu helfen, die eben nicht freiwillig dabei sind. Nur dann können die Häuser, in denen gegen das Gesetz verstoßen wird, auch geschlossen werden.«
    Sabine ärgerte sich selbst über ihre Argumente, die so fernab jeder Realität waren. Felix Leonhard dachte wohl ähnlich. Das sah sie an seinen zusammengepressten Lippen, doch er sagte nichts.
    Es war eben nur schnöde Theorie. Die Frauen mussten reden, und genau das hatten ihnen die Zuhälter von vornherein abgewöhnt. Ob mit körperlicher Gewalt oder mit psychischem Druck, das machte keinen Unterschied. Sie hatten Angst, um sich oder ihre Familien. Und wenn die Polizei auftauchte, dann beteuerten sie, alles sei in bester Ordnung, oder hielten einfach nur den Mund.
    Sie aßen schweigend weiter. Erst als Paolo die leeren Teller abgeräumt hatte, kam der Journalist auf das Thema zurück.
    »Sie sagen, es ist ein Vorteil für die Frauen, dass die Prostitution bei uns legalisiert wurde. Ich bin mir nicht so sicher, ob das stimmt. Sehen Sie, selbst wenn die Frau selbst entscheidet, sich zu prostituieren, und das Geld dafür auch behält, übersehen die Befürworter dieser Freiheit eines: nämlich die Männer. Mag die Frau es als einen normalen Job ansehen, einem Freier ihren Körper für Sex anzubieten, so als würde sie ihm ein Bier oder ein Fischbrötchen verkaufen, für den Mann ist das anders. Denn was lernt er daraus? Dass alles käuflich ist, sogar das Recht, über den Körper eines anderen zu verfügen. Die Frau unterwirft sich dem Mann für ein paar Euro. Glauben Sie nicht, dass das im Bewusstsein der heranwachsenden Generation junger Männer seine Spuren hinterlässt, wenn an jeder Ecke die Ware Frau billig zu haben ist? Warum sollten sie eine Frau umwerben, sie achten und eine Beziehung aufbauen, wenn es so viel einfacher ist, sich eine zu kaufen? Gerade in Ländern, in denen die Frau in den Augen der Männer traditionell weniger wert ist und ihm gehorchen muss, steht das jeder Emanzipationsbewegung im Weg.«
    Sie wehrte sich vergeblich gegen seine Worte und gegen die Kälte, die sie in ihr auslösten.
    »Und Sie glauben, Prostitution zu verbieten, macht es besser? Ist das nicht ein wenig zu einfach gedacht? Klar, dann verschwinden die Bordelle ins Verborgene, was alles nur noch schlimmer macht.«
    Der Journalist nickte. »Da haben Sie recht. Gerade in vielen Ländern, in denen die Prostitution verboten ist, blüht sie besonders, bestens geschützt durch korrupte Beamte. Aber ich halte das Modell, das Schweden versucht, für vielversprechend. Prostitution ist verboten, aber nicht die Frauen werden kriminalisiert, sondern die Freier! Die Prostituierte wird nicht belangt, daher sinkt die Hemmschwelle, sich der Polizei anzuvertrauen oder auch einfach auszusteigen. Die Männer dagegen, die sich Sex kaufen, machen sich strafbar und werden zum Umdenken gezwungen. Vielleicht führt das auf lange Sicht gesehen bei der nächsten Generation zu einer anderen Sichtweise und zu einem anderen Frauenbild.«
    Sabine wiegte den Kopf hin und her. »Vielleicht. Das Hauptübel sind jedoch die äußeren Umstände, die Frauen dazu zwingen. Es wird sich nichts ändern, solange in vielen Ländern der Erde Frauen so arm sind, dass sie ihren Körper oder ihre Kinder verkaufen müssen, um zu überleben«, sagte sie leise. »Mag die Prostitution nun verboten sein oder nicht. Das spielt in diesem Fall keine Rolle.«
    Der Journalist nickte. »Das ist wohl das Grundübel unserer Welt.«
    Sie schwiegen wieder und tranken noch ein Glas Wein zusammen. Dann bezahlte Felix Leonhard – trotz Sabines Protest – die Rechnung und sicherte sich damit zumindest das Wohlwollen des Italieners.
    »Ich muss los«, sagte er zum Abschied. »Die finsteren Schatten der Nacht erwarten mich.«
    Sabine sah ihm nach, bis er zwischen den abendlichen Passanten verschwand. Das Gespräch hatte sie mehr aufgewühlt, als sie gedacht hätte. Er schien sich eingehend mit der Materie befasst zu haben, dennoch weigerte sich etwas in ihr, die Sache so dramatisch zu sehen, wie er sie dargestellt hatte.
    Warum? Wollte sie sich die Illusion einer Welt bewahren,

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