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Engel der Verdammten (German Edition)

Engel der Verdammten (German Edition)

Titel: Engel der Verdammten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Mittel- und Südamerika – werden von den eigenen Eltern verkauft.«
    Die Kommissarin dachte an das kleine Mädchen, das Peter nachts allein auf der Straße aufgegriffen hatte und dem jemand beigebracht hatte, Männer zu befriedigen.
    »Oder die Abertausenden jungen Frauen, die auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben auf falsche Versprechungen hereinfallen und dann irgendwo als Sexsklavinnen landen. Auch hier in Hamburg!«, sprach der Journalist weiter.
    Paolo unterbrach sie und brachte ihre Pasta, die verführerisch duftete. Eine Weile beschäftigten sie sich nur mit ihrem Essen, bis die Kommissarin das Thema wieder aufgriff.
    »Und diese Sexsklavinnen wollen Sie hier in St. Georg aufspüren?«
    »So, wie Sie das sagen, glauben Sie, ich würde eine Nadel im Heuhaufen suchen. Ich sage Ihnen, von allen Prostituierten – ob in Hamburg oder im Rest der Welt – ist der Teil, der diesem Job freiwillig und selbstbestimmt nachgeht, der kleinere! Die meisten werden unter Zwang und Androhung von Gewalt in die Bordelle und auf die Straße geschickt. Sie sind hilflos und haben Angst, oft sind sie illegal hier und fürchten die Abschiebung. All das macht sie zu leichten Opfern der Zuhälter.«
    »Das Gewerbe gibt es in allen Schattierungen«, gab Sabine zu, doch obwohl sie sich oft schon ähnliche Gedanken gemacht hatte, widersprach sie dem Journalisten. »Ja, die meisten Frauen müssen einen Teil ihres Verdienstes an Zuhälter abdrücken, aber das heißt nicht, dass sie Sklavinnen sind, die in Ketten gefangen gehalten werden.«
    »Nein? Ketten müssen nicht aus Eisen sein«, entgegnete der Journalist. »Wie einfach ist es denn für eine Prostituierte – selbst hier in Hamburg in unserem ach so zivilisierten Deutschland –, aus der Prostitution auszusteigen? Warum gibt es denn so viele Frauenrechtsorganisationen, die Sisyphosarbeit leisten müssen, um wenigstens ein paar Frauen den Ausstieg zu ermöglichen? Müssen sie sich nicht vor der Gewalt ihrer Zuhälter und oft gar um ihr Leben fürchten?«
    Sabine erinnerte sich an die unzähligen Gespräche mit ihrer Freundin Ingrid, die im Ragazza arbeitete, einem Haus für drogensüchtige Prostituierte hier in St. Georg. Deren größtes Problem waren meist die Drogen und nicht die Zuhälter, die an diesen körperlichen Wracks kein Interesse mehr hatten. Doch sie hatte auch von den Revierkämpfen unter den Zuhältern gehört. Schweigend aß sie weiter und dachte über seine Worte nach.
    »Vielleicht haben Sie recht«, räumte Sabine nach einer Weile ein. »Aber hier in Deutschland ist Prostitution wenigstens legal. Die Frauen, die aus wirtschaftlicher Not, um ihre Sucht zu finanzieren oder aus anderen Gründen ihren Körper verkaufen, müssen nicht auch noch rechtliche Folgen fürchten. Sie können die angebotenen Hilfsprogramme wahrnehmen, wenn sie sich zu einem anderen Leben entschließen, oder auch nur medizinische Hilfe, ohne Angst haben zu müssen, der Polizei ausgeliefert zu werden.«
    Der Journalist presste die Lippen aufeinander. War er über ihre Antwort verärgert?
    »Sie halten es also für einen Vorteil, Prostitution zu legalisieren?«
    Sabine zögerte. Bisher hatte sie das so aufgefasst. »Ja«, sagte sie langsam. »Es ist auch eine Frage der Selbstbestimmung.«
    »Sie stimmen also den Argumenten mancher Feministinnen zu und sehen das als ein Stück sexuelle Befreiung? Als ein Stück freie Berufswahl?«
    Sabine nickte. »Ja, wenn es ohne Zwang ausgeübt wird. Kein Zuhälter, kein Druck, keine Gewalt! Die Frau hat jederzeit die Möglichkeit, auszusteigen und etwas anderes zu tun, wenn sie es möchte.«
    Felix Leonhard lehnte sich in seinem Stuhl zurück und nickte. »Das ist eine schöne Vision, doch leider hat sie nur in den wenigsten Fällen etwas mit der Realität zu tun. Man geht davon aus, dass zwischen siebzig und achtzig Prozent der Prostituierten unter Zwang arbeiten und den größten Teil ihres Verdienstes an ihren Zuhälter abgeben müssen. Er überwacht sie, er sagt ihr, wann und wie lange sie arbeiten muss und welche Praktiken sie anzubieten hat. Sie darf keinen Freier ablehnen und muss oft bis zur totalen Erschöpfung schuften. Es gibt keine Pausen, egal wie sie sich fühlt, ob sie ihre Periode oder sich mit irgendetwas infiziert hat. Ein Arztbesuch? Wozu? Das kostet und könnte unangenehme Fragen aufwerfen. Und wenn sie schwanger wird? Dann organisiert ihr Zuhälter eine Abtreibung und das sicher nicht in einer anständigen Klinik. Es gibt

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