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Engel der Verdammten (German Edition)

Engel der Verdammten (German Edition)

Titel: Engel der Verdammten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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waren.
    »Tut mir leid, Lars, aber ich bin schon wieder auf dem Sprung. Vielleicht morgen, wenn ich keine Überstunden schieben muss. Es ist gerade viel los, weißt du.«
    Seine Augen leuchteten. »Ein großer Fall? Sag, an was arbeitest du? Die Planten-un-Blomen-Leiche? Steckt mehr dahinter, als man aus der Presse erfährt?«
    »Darüber kann ich leider nicht mit dir reden«, wehrte die Kommissarin ab.
    »Hey, ich bin dein Nachbar und Freund, und ich nehme es ja nur als Hintergrundinformation zu meinen Recherchen. Bitte! Erzähl mir davon. Jetzt war ich so froh, dass du endlich wieder im Dienst bist … «
    »Und dann vernachlässige ich dich und gebe dir keine Infos«, ergänzte Sabine mit einem entwaffnenden Lächeln. »Sorry, Lars, aber ich muss jetzt wirklich los.«
    Sie ließ ihn stehen und eilte die Treppe hinunter, schwang sich in ihren Passat und fuhr los.
    Wohin?
    Sie fühlte sich so aufgewühlt. Da war ihr, als könne sie die beruhigende Stimme ihres Vaters hören. Ach, wie sehr vermisste sie ihn! Er war nicht immer für sie da gewesen. Die Jahre, nachdem er sie und ihre Mutter verlassen hatte, waren schwer für sie gewesen, doch nachdem sie ihm nach Hamburg gefolgt war, wurde ihr Verhältnis immer enger, und bald schon hatte sie es sich zur Gewohnheit gemacht, alles mit ihm durchzusprechen, was sie bewegte. Er war ein guter Zuhörer und antwortete stets überlegt. Nie hatte er versucht, sie in eine bestimmte Richtung zu drängen. Er hatte ihr lediglich geholfen, klarer zu sehen, um die richtige Entscheidung treffen zu können.
    Und dann hatte das Schicksal zugeschlagen und ihn von ihrer Seite gerissen. Einfach so. Ein Herzinfarkt während einer Segeltour, bei der sie ihn hätte begleiten sollen!
    Nein, sie konnte und wollte sich nicht damit abfinden. Nun nahte bereits sein vierter Todestag, doch es gelang ihr nicht, ihn loszulassen. So war Sabine nicht überrascht, als sie merkte, dass sie den Weg zum Friedhof eingeschlagen hatte. Ein Blick auf ihre Uhr zeigte, dass sie noch vor dem Schließen der Tore dort eintreffen würde. Ja, sie würde alles mit ihrem Vater besprechen, und vielleicht wüsste sie dann auch, was sie als Nächstes tun sollte.
    Mit strammen Schritten eilte Sabine zu den Gräbern am Prökelmoorteich. Still und verlassen lagen sie in der nächtlichen Dunkelheit. Selbst die Sumpfhühner hatten sich irgendwo an der Uferböschung versteckt und schliefen vermutlich schon. Kein Laut war zu hören. Der Wind war eingeschlafen, und es zeigten sich die ersten Sterne am Himmel. Reglos stand Sabine vor dem Grab und hielt stumme Zwiesprache mit ihrem Vater, doch heute schien nicht einmal er Antworten auf ihre Fragen zu haben. Müde und fast ein wenig enttäuscht wandte sie sich ab.
    Sie schlug noch einen Bogen zu dem fremden Grab, in dem sie die Leiche der ermordeten jungen Frau gefunden hatte, die nun in einer der Schubladen im Institut für Rechtsmedizin lag. Nichts verriet mehr, dass die Ruhestätte der Wandenbrinks entweiht worden war. Nachdem die Polizei den Tatort freigegeben hatte, waren das Grab wieder zugeschaufelt und die Kränze ordentlich darauf arrangiert worden. Nein, hier gab es auch keine Antworten.
    Sabine beschloss, sich auf den Heimweg zu machen, doch etwas zog sie zu einem dritten Grab. Ihre Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, und so schritt sie weit aus und sog die kühle Nachtluft in ihre Lungen.
    Sie sah ihn schon von Weitem. Zuerst war ihr, als sitze eine Statue am Fuß des Grabes, so weiß schimmerte seine Haut im Sternenlicht, so bewegungslos saß er da. Sie fühlte ihr Herz schneller schlagen und hörte ihr eigenes Blut in den Ohren rauschen – oder hatte der Wind wieder aufgefrischt? Narrten die wispernden Blätter ihr Ohr?
    Er rührte sich nicht und schwieg, als sie neben ihn trat und sich zu ihm ins Gras setzte. Gemeinsam starrten sie auf den Stein mit dem Namen »Aletta« und auf den kleinen steinernen Engel. Lange Zeit sagte er nichts. Er schien sie überhaupt nicht zu bemerken. Es war fast ein wenig unheimlich. Sabine hielt die Stille nicht länger aus.
    »Du denkst noch viel an sie, nicht wahr?«
    Er nickte. »Ja, ich komme oft hierher und denke nach. Viele Dinge begreift man erst hinterher.«
    »Vermisst du sie?«
    Er ließ sich mit seiner Antwort Zeit. »Die warme, lebendige Aletta? Nein«, sagte er schließlich. »Sie war auch nur ein Mensch. Ein interessanterer Mensch als die meisten, aber ebenso vergänglich. Die einen welken und vergehen früher, die

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