Engel der Verdammten (German Edition)
anderen später, doch irgendwann gehören sie alle dem Tod, ihre Seelen verwehen und ihre Körper verwesen. Ich habe mich daran gewöhnt.«
Eigentlich wollte sie das gar nicht sagen, doch es rutschte ihr unwillkürlich heraus:
»Wirst du mich auch nicht vermissen, wenn ich sterbe, weil ich nur ein Mensch bin?«
Nun wandte er sich ihr zu und ergriff ihre Hände. Nacheinander hauchte er einen Kuss auf ihre Handrücken. Seine Berührungen ließen sie erbeben. Ein Lächeln erhellte seine Miene.
»Ich hoffe doch nicht, dass es so weit kommt«, sagte er. »Ich möchte dich nicht vermissen! Es wäre eine schmerzliche Erfahrung.«
»Du vergisst mich schon vorher. Wenn ich alt werde und verwelke, lange bevor ich sterbe«, vermutete Sabine mit einem Seufzer. Sie hätte nicht gedacht, dass dieser Gedanke so schmerzlich sein könnte. Hatte sie ihn nicht wieder und wieder weggeschickt und genau das von ihm verlangt? Sie in Ruhe zu lassen, damit sie ihr Leben leben könnte?
Er lachte leise. »Und diese Vorstellung behagt dir nicht? Kann ich daraus schließen, dass doch noch Hoffnung für mich besteht?« Er zog sie an sich und küsste sie. Ihr wurde schwindelig.
»Hast du ein solch schlechtes Gedächtnis, oder hältst du mich für wankelmütig? Ich habe dir gesagt, dass ich dich erwählt habe, weil ich in vielen Hundert Jahren keiner Sterblichen begegnet bin, die mich so berührt hat. Ich werde dich nie vergessen und will dich nicht verlieren! Das weißt du. Es genügt ein einziges Wort von dir, und ich zeige dir meine Welt, in der du jung und schön bleiben wirst. In der deine Kräfte mit jedem Jahr wachsen und in der du auf alle Ewigkeit an meiner Seite den Zauber der Nacht genießen kannst.«
Es war so verlockend, und ihr wurde heiß und kalt bei der Erinnerung an seinen Biss. Es kostete sie alle Kraft, Julias Bild zu beschwören und sich aus den Armen des Vampirs zu lösen.
»Nein, ich kann nicht. Ich habe es dir erklärt.«
»Ja, ich erinnere mich, auch wenn ich dich nicht verstehe. Aber noch haben wir Zeit«, sagte er, erhob sich und zog sie mit hoch. »Ich sage nicht, dass es mir leichtfällt, doch ich weiß, dass es sich lohnt, mich in Geduld zu üben.«
Gemeinsam schlenderten sie zum inzwischen verschlossenen Ausgang zurück.
»Und, wonach steht dir der Sinn, wenn es nicht eine Nacht im Blutrausch werden soll?«, erkundigte er sich leichthin. »Wollen wir einen Ausflug aufs Land machen oder möchte die Kommissarin noch ein wenig schnüffeln gehen? Die Nacht ist noch jung, und es gibt so viel zu entdecken.« Der Vampir hob sie in seine Arme und sprang mit einem riesigen Satz über die Friedhofsmauer.
Es war erst neun Uhr am Morgen, doch Sabine konnte nicht mehr einschlafen. Dabei hatte sie sich vorgenommen, bis mittags im Bett zu bleiben, nachdem sie fast die ganze Nacht mit dem Vampir verbracht hatte.
Sabine dachte wieder einmal an Aletta. Warum nur konnte sie diesen Fall für sich selbst nicht zu den Akten legen? Aletta war freiwillig aus dem Leben geschieden. Es war ihre eigene Entscheidung gewesen. So freiwillig, wie die Frauen auf dem Kiez und in St. Georg ihre Sexdienste anboten?
Es war ihr, als könnte sie Felix Leonhards Stimme hören. Sie hatte einen angenehmen Klang. Tief und voll. Er sprach langsam, wohlüberlegt und voller Überzeugung. Vielleicht war er ein wenig fanatisch, doch ihr waren die Leidenschaftlichen allemal lieber als die Gleichgültigen.
Leidenschaft.
Aletta war eine leidenschaftliche Frau gewesen, die mit ihren beiden Freundinnen fünf Männer getötet hatte. Zumindest vermutete Sabine, dass Aletta die treibende Kraft hinter den Morden gewesen war. Insofern war es nicht ganz falsch, dass sie die Schuld am Ende auf sich genommen hatte. Und dennoch haderte Sabine mit ihrem Selbstmord.
Sabine schlug die Decke zurück und sprang aus dem Bett. Sie lief vor ihren Gefühlen davon, das war ihr klar, doch im Augenblick fiel ihr keine bessere Lösung ein. Sie musste sich mit irgendetwas beschäftigen – bis es Abend wurde und Peter zu ihr kam.
Der Gedanke an Peter befreite sie für einige Augenblicke von ihren Grübeleien. Sie spürte nur das Kribbeln in ihrem Körper und die Lust, die sie beinahe aufstöhnen ließ. Wie lange würde sie noch die Kraft haben, sich ihm zu entziehen? Sie sehnte sich nach seinen Armen, sie verlangte nach seinem Körper, sie wollte diese Lust wieder und wieder spüren.
Doch alles im Leben hatte seinen Preis. Den seinen kannte sie.
Es war ein Spiel mit ihrem
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