Engel der Verdammten
Kerle mit ihren gemeinen Waffen töten wollten. Sie verfielen jetzt in einen gemächlichen Schritt, ließen die Passanten an sich vorbeiströmen und knufften sich gegenseitig in die Rippen: ›Halt, da ist sie.‹ Es war so weit.
›Seht. Da, die lange schwarze Limousine hält am Bordstein, der weißhaarige Chauffeur öffnet ihr den Wagenschlag.‹
Esther. Das Haar ein Schleier aus dunklen Locken, pechschwarzes Haar, wie mein eigenes, aber sie hatte größere Augen als ich, und das Weiße darin schimmerte wie Perlmutt, und ihre schlanke weiße Kehle war unter dem Mantel unbe-deckt bis zum Brustansatz. Der Mantel gestreift wie ein Tierfell, mit Streifen, die absichtlich nicht naturgetreu gezeichnet, sondern gewollt künstlich waren.
Sie bemerkte die drei nicht einmal, diese primitiven Schreck-nisse auf Beinen, die ausgeschickt waren, sie ›zu beseitigen‹.
Durch die Menschenmenge ging eine Bewegung, und eine Gasse öffnete sich für das Mädchen.
›Was soll ich tun?‹, flüsterte ich. ›Soll ich ein Ende machen?
Warum soll sie sterben, wozu?‹ Ich wollte das nicht mit ansehen.
Das Mädchen schob die breiten Glastüren des Geschäfts auf und ging hinein, inmitten einer so dichten Gruppe, dass mindestens fünf Leute zwischen ihr und den Eval-Brüdern gingen, die nun merkten, dass sie in Schwierigkeiten waren.
›Mein Gott, müssen wir das jetzt hier drin durchziehen?‹
Mit ›hier drin‹ meinte Hayden, hier in diesem Palast, dieser Schatzkammer voller Pelze und hauchdünner Stoffe, voller Lederwaren in allen Schattierungen und Parfüms, deren Düfte von den gläsernen Ladentischen aufstiegen wie von einem Altar. ›Hier drin‹ sahen die drei, diese großspurig auftretenden Hinterwäldler, nicht mehr aus wie jeder andere, nein, hier wirkten sie eher wie Hafentramps, die zusammen mit den Ratten auftauchen, um zu stehlen, was andere fallen gelassen haben; doch selbst hier herrschte dichtes Gedränge, Schulter an Schulter standen die Leute, mit voneinander abgewandten Gesichtern und rasch gesenkten Augenlidern, um keine persönliche Nähe aufkommen zu lassen. Und es war laut. Niemand achtete wirklich auf den anderen, niemand bemerkte sie - drei Männer in schmierigen Klamotten, einer wunderschönen Frau auf den Fersen.
Und sie, diese jugendliche Königin mit dem dunklen, schimmernden Haar und dem bunt gefärbten Mantel, schritt ein paar Stufen hinauf auf ein Podest, wo sie ahnungslos und fröhlich nach einem langen, schwarzen Schal griff, einem mit Perlen bestickten, ungewöhnlichen Schal, den sie nun durch die Finger gleiten ließ, wunderschön schimmernd, bestickt mit einem schwarzen Blütenmuster, entzückend und wie für sie gemacht.
›Guten Tag, Miss Belkin.‹ Die Königin hatte also einen Namen, und die Händler in diesem Zeitalter benahmen sich nicht weniger geschickt als in jedem anderen.
Doch dann sah ich, dass Billy Joel zugestoßen hatte! In genau dieser Sekunde hatte er ihren schlanken Rücken erwischt, Hayden kam von links, und Doby, wie sein Bruder in wilder Hektik, stach den Eispickel in ihre rechte Seite. Gleichzeitig schlugen sie ihr die Waffen in den Leib, und das Leben in ihr bäumte sich auf, ihre Stimme erstarb, nur ihr Herz noch nicht.
Ihre Lungen füllten sich mit Blut. Diese billigen Meuchelmörder, wenn es ums Töten ging, wurden sie zu Genies. Jetzt entfernten sie sich einfach von ihr, noch ehe sie niederfiel; sie machten sich nicht einmal die Mühe zu rennen. Sie waren aus der Tür, noch ehe das Mädchen über der Glasplatte zusammengesunken war. Den Schal hielt sie noch immer in der Hand. Die Verkäuferin beugte sich vor: ›Miss Belkin?‹
Ich musste den Kerlen nach. In ihrem Todeskampf lehnte sich Esther auf die Glasplatte, als spüre sie nur gerade einen starken Schmerz, der rasch wieder vergehen würde. Sie würde innerhalb der nächsten Sekunden sterben! Und ich kannte die Mörder! Und die Verkäuferin wusste nicht einmal, dass Esther starb.
Ich schoss durch den Eingang. Ich weiß noch, dass ich Leute aus dem Weg stieß, um freie Bahn zu haben, ich fühlte ihre Körper. Doch ich wollte die Eval-Brüder nicht aus den Augen verlieren. Ich erhob mich in die Luft. Über den Köpfen der Menge flog ich, in meiner mir selbst geschaffenen Gestalt, doch unsichtbar, von niemandem bemerkt, und ich holte die drei schnell ein.
Sie hielten jetzt Abstand voneinander. Doch schien auch hier in dieser Querstraße, in der Hunderte von Passanten aneinander vorbeihasteten, niemand
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