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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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zu-rück, ging hin und her, dabei hob er nicht einmal die Augen, sodass er mich hätte sehen können, obwohl ihm bei etwas besserem Licht durchaus meine Schuhspitzen hätten auffallen können. Er drehte dem Rebbe den Rücken zu.
    ›Ich hatte nie vor, auch nur einen von euch des Mordes an Esther zu beschuldigen!‹, sagte er dann. ›Die Idee ist mir gar nicht gekommen, obwohl ich diesen Begriff außer aus deinem Munde niemals gehört habe! Und dann trete ich über deine Schwelle, und du klagst mich an, meine Stieftochter getötet zu haben! Warum sollte ich so etwas tun? Ich bin aus Respekt vor ihren letzten Worten hergekommen!‹
    Der alte Mann sagte sehr ruhig: ›Ich glaube dir, dass das arme Kind den Begriff genannt hat. Die Zeitungen berichteten von merkwürdigen Worten, deshalb glaube ich dir. Aber ich weiß, dass du deine Tochter getötet hast. Du hast es veranlasst.‹
    Gregorys Arme spannten sich an wie bei jemandem, der kurz davor ist zuzuschlagen, aber er konnte und wollte den Rabbi nicht schlagen. Ich wusste, das würde zwischen diesen beiden nie vorkommen. Aber Gregory war am Ende seiner Geduld, und der Zaddik war sich Gregorys Schuld sicher.
    Das war ich übrigens auch. Aber welche Gründe hatte ich da-für? Nicht mehr wahrscheinlich als der Zaddik.
    Ich versuchte, einen Blick in ihre Seelen zu werfen, denn sie konnten wohl damit angeben, eine Seele zu haben, die beiden; sie waren aus Fleisch und Blut. Wie ein Mensch versuchen würde, die Tiefen der menschlichen Seele auszuloten, so mühte ich mich nun mit meinen Fähigkeiten als ein Geist darum. Ich neigte leicht den Kopf nach vorn, als könne mir der Rhythmus ihres Atems, der Schlag ihres Herzens das Geheimnis verraten. Gregory, hast du sie getötet?
    Fragte der Alte den Jüngeren das Gleiche? Im Licht einer staubigen Glühbirne beugte er sich vor; seine Augen zusammengekniffen, aber durchdringend, so schaute er abermals Gregory an, und dabei, rein durch Zufall, aber ganz sicher, fiel sein Blick auf mich.
    Ganz langsam, mit einer natürlich wirkenden Bewegung, lenkte er den Blick fort von seinem Enkel und zu mir herüber.
    Er sah einen Mann dort stehen, wo ich stand. Er sah einen jungen Mann mit langen lockigen Haaren und dunklen Augen.
    Einen Mann von ganz ordentlicher Größe und annehmbarer Kraft, sehr jung noch, eigentlich so jung, dass man ihn vielleicht noch für einen Jungen hätte halten können. Er sah mich.
    Er sah Asrael.
    Ich lächelte, aber nur ganz leicht, wie ein Mann, der gerade zum Sprechen ansetzt, aber nicht spotten will.
    Ich zeigte meine weißen Zähne, vertraute seinem heimlichen Blick an, dass ich ihn nicht fürchtete. Wie er stand ich hier mit Vollbart und in einen langen Kaftan aus schwarzer Seide gekleidet. Wie er, wie einer aus seiner Herde.
    Und obwohl mir nicht klar war, warum oder wodurch ich es wusste, so wusste ich doch ganz sicher, dass ich zu ihnen gehörte; weniger gewiss war ich mir der Zugehörigkeit zu diesem Reklamepropheten, der da vor ihm stand.
    Eine Welle von Kraft durchfloss mich, als habe der Alte seine Hand auf die Gebeine gelegt und laut nach mir gerufen! Das ist oft so, wenn man mich sieht, nimmt meine Kraft zu. In solchen Augenblicken war ich beinahe ebenso stark, wie ich heute bin.
    Der alte Mann ließ sich Gregory gegenüber nicht anmerken, was er gesehen hatte. Auch mir gegenüber nicht. Er saß ganz still. Wie er die Augen durch den Raum schweifen und nir-gendwo besonders lange ruhen ließ, das wirkte ebenso natürlich, wie der Mangel an Emotion, den er zeigte, von einer leichten Besorgnis abgesehen.
    Noch einmal sah er mich an, so unauffällig, dass Gregory es nie bemerkt hätte. Er hielt mir stand in absoluter Stille.
    Lauter rauschte der Puls in mir, fester zogen sich die Poren meines Körpers in dieser perfekten Hülle zusammen. Ich konnte spüren, dass er mich sah, und er fand mich schön!
    Jung und schön! Ich fühlte die Seide auf meinem Körper, fühl-te das Gewicht meines Haares.
    Ah, du siehst mich also, Rebbe, du hörst mich. Ich sprach zu ihm, ohne meine Zunge zu bewegen.
    Er antwortete nicht. Er hatte den Blick eines Mannes, der in Gedanken versunken ist. Aber er hatte mich gehört! Er war kein falscher Prediger, sondern ein echter Zaddik, und er hörte mein kleines Gebet.
    Doch der Jüngere, der mit dem Rücken zu mir stand und so leicht getäuscht werden konnte, sprach jetzt wieder in Englisch:
    ›Rebbe, wem hast du diese Geschichte noch erzählt? Ist Esther vielleicht einmal

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