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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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deines Talmud, deiner Kabbala jemand wie Gregory Belkin hervorgehen konnte. Belkin, der Messias des
    »Tempels vom Geiste Gottes«, dessen Stimme von Lima bis Neuschottland, von Edinburgh bis Zaire gehört wird. Wie konnten deine Rituale, deine Gebete, deine triste schwarze Kleidung, deine schwarzen Hüte, deine verrückten Tänze, dein Hin- und Herwiegen - wie konnte das alles einen Gregory Belkin und den »Tempel vom Geiste Gottes« auf die Welt loslas-sen, beides so berühmt und überaus erfolgreich? Um deinetwillen habe ich geschwiegen.‹
    Stille. Der alte Mann wahrte Schweigen, verächtlich, unversöhnlich.
    Ich war verwirrter denn je. Nichts zog mich zu den beiden Männern, weder Hass noch Liebe, nichts, wäre da nicht die Erinnerung an Augen und Stimme des toten Mädchens gewesen.
    Wieder ergriff der jüngere Mann das Wort.
    ›Einmal in deinem ganzen Leben kamst du aus eigenem Antrieb zu mir‹, sagte er. ›Du überschrittest die lange Brücke, die meine Welt von der deinen trennt, wie du es nennst. Du kamst in mein Büro und batest mich, niemandem gegenüber etwas von meinem Hintergrund zu erwähnen! Meine Abstammung geheim zu halten, egal, wie sehr die Reporter mich auch be-drängten, wie sehr sie bohrten!‹
    Der Alte sagte nichts.
    ›Es wäre für mich von Vorteil gewesen, wenn ich es öffentlich gemacht hätte, Rebbe. Sage nur, es wäre für mich nicht einträglich gewesen zuzugeben, dass ich aus so überzeugten, eifernden, den Ritualgesetzen folgenden Wurzeln abstamme!
    Doch ehe du deine Bitte an mich richtetest, hatte ich unsere gemeinsame Vergangenheit schon begraben. Ich überdeckte sie mit Lügen und erfundenen Geschichten, um dich zu schützen! Damit du nicht entehrt wärest. Du und mein geliebter Nathan, für den ich jeden Abend bete. Das tat ich, und tu es noch
    ... für dich.‹

    Er machte eine Pause, als drohe sein Zorn ihn zu überwältigen. Ich war wie elektrisiert, sowohl von den beiden Männern als auch von der Geschichte, die sich da entfaltete.
    ›Doch so wahr Gott mein Zeuge ist, Rebbe‹, ergriff Gregory wieder das Wort, ›...und ich wage tatsächlich, in meinem Tempel von Gott zu sprechen, wie du in der jeschiwa von Gott sprichst ..., lass dir Folgendes sagen: Esther hat diese Worte gesagt, als sie starb! Nun weißt du also, dass es keiner von deinen schwarz gewandeten Heiligen war, die singend und händeklatschend den Sabbat begehen! Und nicht mein rehäugiger Bruder! Und es war auch kein Chassid, der Esther tötete.
    Als die Nazis meine Mutter und meinen Vater erschossen, hob niemand die Hand, um Einhalt zu gebieten, ist das nicht wahr?‹
    Der alte Mann, verdutzt und hin und her gerissen, nickte wahrhaftig zustimmend, als wären sie beide über ihren gegen-seitigen Hass hinausgewachsen.
    ›Aber‹, Gregory hielt mit seiner rechten Hand den Scheck hoch, ›wenn du mir nicht die Bedeutung dieser Worte erklärst, Rebbe - und ich erinnere mich haarscharf an sie! -, dann werde ich zur Polizei gehen und ihnen sagen, wo ich diese Worte schon einmal gehört habe. Dass es hier war, inmitten der Chassidim, in diesem Haus, in dem Gregory Belkin, der Gründer des »Tempels vom Geiste Gottes«, geboren wurde.‹
    Ich war baff. Ich wartete. Wagte nicht, meine Augen von dem alten Mann abzuwenden.
    Er lenkte nicht ein.
    Gregory seufzte, zuckte mit den Schultern. Ging einen Schritt, wandte sich um, richtete die Augen zum Himmel und ließ die Hand fallen. ›Ich werde ihnen sagen: Jawohl, ich habe diese Worte schon gehört. Ja, ich saß auf den Knien meines Groß-
    vaters, da habe ich sie gehört, und ja, er lebt noch, und sie müssen zu ihm gehen und herausfinden, was sie bedeuten.
    Ich werde es der Polizei sagen - ich werde sie dir auf den Hals hetzen, und du kannst ihnen dann erklären, was es mit diesen Worten auf sich hat.‹
    ›Das reicht‹, sagte der alte Mann. ›Du bist ein Dummkopf, wie eh und je!‹ Er seufzte schwer, und dann, in Gedanken versunken, sich des Sprechens kaum bewusst, sagte er: ›Esther sagte diese Worte? Und andere haben es gehört?‹
    ›Die Sanitäter meinten, dass sie einen Mann draußen vor dem Wagenfenster ansah, einen Mann mit langen schwarzen Haaren! Die Polizei hat das noch nicht öffentlich bekannt gemacht, doch auch andere sahen ihn und bemerkten, dass er Esther anschaute, und, Rebbe, dieser Mann, der weinte ihretwegen!
    Er weinte!‹
    Jetzt bebte ich!
    ›Sei still. Hör auf. Nicht ...‹
    Gregory ließ ein leises, spöttisches Lachen hören. Er trat

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