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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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gewesen waren, dann hatte er eine Liste der Gebote erarbeitet, die man am ehesten akzeptieren konnte. Auch andere Gesichtspunkte dieses neuen Kults waren auf die gleiche Art entstanden, indem er anonyme Umfragen und Untersuchungen in Auftrag gegeben und die ansprechendsten Aspekte per PC zusam-mengefasst hatte. Esther und ich hielten das Ganze für einen Witz. Aber an dem Abend hörte er überhaupt nicht mehr auf zu weinen. Er sagte, das sei sein Leben, und Gott habe ihn und sein Computerprogramm geleitet.
    Ich bin dann schlafen gegangen. Esther und Gregory sprachen zwei Tage lang nicht miteinander. Aber das war nicht ungewöhnlich. Sie pflegten sich über irgendeine winzige politische Frage lautstark in die Haare zu geraten. So lief das eben mit den beiden.‹
    ›Was sonst noch?‹
    ›Zwei Tage später weckte Gregory mich um vier Uhr. Er hatte einen seiner Wutanfälle und schrie: »Nimm das Telefon, rede mit ihm, hör ihn dir an.« Ich wusste nicht, was zum Teufel er meinte. Die Stimme, die dann durch den Hörer drang, klang genau wie die von Gregory! Und ich meine genau! Ich konnte kaum glauben, dass es jemand anderer war, aber es musste so sein. Er stellte sich als Nathan vor, Gregorys Bruder, und bat mich sehr lieb, Esther zu erklären, dass die beiden Familien nicht zusammenkommen könnten. Er sagte: »Es bricht mir das Herz, das zu der Frau meines Bruders sagen zu müssen, aber unser Großvater hat nicht mehr lange zu leben, und die Gemeinde ist von ihm abhängig. Er ist der Rabbi. Sag Esther, es ist einfach nicht zu machen, und bestelle ihr liebe Grüße«, und er werde sie ja sehen, wenn sie ihn wieder besuchen komme.
    Ich sagte, dass ich ihn voll und ganz verstünde, und versicherte ihm meine Zuneigung, ich sagte, dass auch ich meine Eltern in den Lagern verloren hätte, und wünschte ihm das Beste. Dann sagte er noch auf Jiddisch, dass wir in seinen Gebeten und seinen Gedanken seien, und wenn wir ihn brauchten, wenn Gregory krank sei oder Kummer hätte, sollten wir ihm Bescheid sagen.
    Ich sagte, dass es gut getan hätte, jemanden Jiddisch sprechen zu hören und überhaupt mit ihm zu sprechen. Er lachte und sagte etwas wie: »Gregory glaubt, er hat alles, und Gott sei Dank hat er eine gute Frau, aber man kann nie wissen, wann ein Bruder mal einen Bruder braucht. Gregory war ja noch nie im Leben krank oder im Krankenhaus, außer, als er mich besucht und sich um mich gekümmert hat, aber wenn er nach mir verlangt, werde ich da sein.«
    Ich weiß noch, dass ich mir Gedanken über diesen Kranken-hausaufenthalt gemacht habe, und über diese Untersuchungen. Hatte Gregory bei sich selbst auch Tests veranlasst?
    Was war das für eine Erbkrankheit? Ich wusste, dass Gregory wirklich noch nie in einer Klinik gewesen war. Er hatte einen privaten Arzt, kaum das, was ich als staatlich zugelassenen Arzt betrachten würde, aber meines Wissens war er nie in einem Krankenhaus gewesen. Ich dankte Nathan noch für seine Freundlichkeit und erkundigte mich, wie ich ihn in Zukunft erreichen könnte, aber dann riss Gregory das Telefon wieder an sich. Er nahm es mit aus dem Zimmer, aber ich konnte ihn reden hören, er sprach Jiddisch, als sei es seine Muttersprache, und er sprach sehr vertraulich, wie ich ihn sonst nie zu jemandem habe sprechen hören. Er hatte mir ja immer erzählt, dass seine ganze Verwandtschaft tot sei. Alle.‹
    ›Wie lange ist das schon her?‹, fragte ich.
    ›Einen Monat vielleicht, aber ich habe überhaupt nicht mehr daran gedacht, bis heute. Ich meine, tief drinnen wusste ich, dass er für Esthers Tod verantwortlich ist, in dem Moment, als ich hörte, wie er seine Sprüche über Terroristen und Gegner seiner Kirche von sich gab, wusste ich, dass er lügt. Er war einfach zu gefasst über ihren Tod, nahm es zu selbstverständlich! Aber ganz ehrlich, glaubst du wirklich, er würde seine eigene Tochter um dieser Sache willen töten?‹
    ›Ja, das glaube ich, aber ich sehe hier einen komplizierten Plan‹, antwortete ich. ›Und was ist mit dem Rabbi? Hast du den Rabbi je getroffen, mit ihm gesprochen?‹
    ›Nein, ich mochte nicht hingehen, nur um von ihm dann abge-lehnt zu werden. Ich habe großen Respekt vor diesen Leuten, meine Eltern waren auch polnische Chassidim. Aber hingehen? Nein, ich kenne derartige alte Männer!‹
    ›Ah, dann lass dir dies gesagt sein: Dieser alte Mann hat Gregory auch beschuldigt, Esther getötet zu haben. Und er fragte sich das Gleiche wie du jetzt.‹
    ›Merkst du, was

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