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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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eine Kette, ein Zwillingsbruder.‹
    ›Was willst du damit sagen?‹
    ›Begreife doch, Rachel, ein eineiiger Zwilling ist nicht einfach ein Bruder, er ist ein Duplikat, und hier haben wir einen Zwillingsbruder, von dem kein Mensch etwas weiß, und den auch kaum jemand erkennt, weil er den Bart und die Schläfenlocken der orthodoxen Juden trägt. Mit einem eineiigen Zwilling kann man so einiges anstellen.‹
    Sie schaute mich fassungslos schweigend an. Dann zuckte sie wieder schmerzerfüllt zusammen.
    ›Komm‹, sagte ich, ›ich muss etwas trinken, Wasser. Ich werde dir auch etwas mitbringen.‹
    ›Ja, das wäre gut. Kaltes Wasser, meine Kehle ist ganz rau, ich kann nicht ...‹, sie sank zurück in die Kissen.
    Ich huschte durch den Garten und betrat etwas, das eine Vorratskammer für Delikatessen zu sein schien, und natürlich gab es da auch jede Menge wassergefüllte Plastikflaschen im Kühlschrank. Zwei davon nahm ich und dazu zwei hübsche Kristallgläser aus einem Regal. Dann setzte ich mich neben Rachel, die sich inzwischen zugedeckt hatte, und gab ihr zuerst etwas zu trinken. Dann trank auch ich.
    Ich war wirklich erschöpft. Allerdings war für Erschöpfung jetzt nicht die richtige Zeit, ich konnte nicht riskieren, dass, wenn ich schlief, mein Körper sich auflöste. Ich trank noch einmal von dem Wasser, dabei fragte ich mich, was wohl aus meinem Körper in den von Rachel gelangt war, ob es wirklich Samen gewesen war oder nur etwas, das so aussah. In dem Zusammenhang fiel mir mein Meister Samuel ein, der damals über Nonnen gespottet hatte, die behaupteten, von Geistern geschwängert worden zu sein. Ich erinnerte mich an Straßburg, und dann fiel mir rein gefühlsmäßig noch etwas ein, eine Erinnerung an etwas, das Zurvan gesagt hatte: ›Ja, sicher kannst du es tun, aber es wird dir deine Kraft rauben, und du darfst niemals zu einer Frau gehen, ohne dass ich es erlaube.‹ Allerdings konnte ich mich eigentlich nicht an den erinnern, der die Worte gesagt hatte, sondern ich erinnerte mich nur an die Worte, erinnerte mich der Liebe, die ich dort gefühlt hatte, und des wunderschönen Gartens, es war alles diesem hier so ähnlich. Es wird dir deine Kraft rauben. Ich musste aber wach bleiben.
    ›Was ist, wenn wir uns irren?‹, sagte sie. ›Wenn er gar nichts mit Esthers Tod zu tun hat? Er ist ein Mensch, der von allem Gebrauch macht. Er benutzte ihren Tod, aber das heißt doch nicht ...‹
    ›Auch der Rabbi hat gesagt, dass Gregory sie getötet hat. Ich glaube, er tat es. Seine Sekte, sag, predigt sie irgendetwas Einmaliges, predigt sie besondere Werte?‹
    ›Nein, eigentlich nicht. Wie ich dir schon erklärt habe, hat er die ganze Glaubensrichtung per Computer entworfen. Das ganze kommt einem glaubenslosen Glauben so nahe, wie man sich nur vorstellen kann.‹

    Sie seufzte, dann sagte sie, dass im Schrank ein Morgenmantel sei. Ob ich ihn ihr bringen könne? Ihr sei ein wenig kalt, und wenn ich wolle, könne ich mir auch einen Bademantel nehmen. Mir war zwar nicht kalt, aber wie die Perser oder Babylonier hatte ich eine Abneigung gegen Nacktheit, deshalb nahm ich einen schweren blauen Mantel, bodenlang und mit einem Gürtel, und hüllte mich in ihn. Zwar fühlte ich mich ein bisschen wie gefangen darin, aber es war erst einmal gut so, und ich brauchte auch all meine Kräfte.
    Ich brachte Rachel ein seidenes Neglige, das goldfarben war, wie die meisten Dinge hier im Raum, und mit Perlenstickerei verziert, die ein wenig an den schwarzen Schal erinnerte. Sie richtete sich auf, und ich half ihr, es anzuziehen und knöpfte die kleinen Perlenknöpfchen für sie zu und verknotete den Gürtel. Auch die Knöpfe an den Handgelenken schloss ich.
    Sie nahm den Blick nicht von mir.
    ›Ich muss dir noch etwas sagen‹, sagte sie.
    ›Sag's‹, bat ich, während ich mich neben sie setzte und ihre Hand nahm.
    ›Gregory rief mich heute Nacht an, ehe das Flugzeug in Miami landete. Er erzählte mir, du habest Esther getötet. Du seist am Tatort gesehen worden. Ich hatte nämlich dein Bild in dem Magazin gesehen, aber ich wusste, er erzählte eine unsinnige Lüge. Ich wollte schon auflegen. Weißt du, es ist nämlich völlig zwecklos, ihm zu sagen, er solle Vernunft annehmen. Aber dann ging er endgültig hoch. Er sagte, du seist ein Geist und du hättest sie töten müssen, weil du ihren Platz in dieser Welt einnehmen wolltest.‹
    ›Was für ein Schrott‹, flüsterte ich. ›Er hat ja wahrhaftig eine glatte

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