Engel der Verdammten
kannst du meinen Bruder treffen, ich habe keinen Bruder!«
Dann stürmte er in mein Zimmer und bedrängte mich. Ich sollte ihr klarmachen, dass die Chassidim nicht mit ihm in Verbindung gebracht werden wollten. Aber er war wirklich stinksauer wegen der ganzen Geschichte. Esther sprach kein Jiddisch, ich weiß noch, sie kam ins Zimmer, und er wandte sich sofort an sie und sagte: »Wenn du jemals etwas von Nathan verlauten lässt, werde ich dir das nie verzeihen!« Das verwirrte sie natürlich, und ich nahm sie zur Seite, um ihr zu erklären, dass die strenggläubigen Juden solche wie uns nicht mögen, weil wir nicht täglich beten und uns nicht genau an die Vorschriften des Talmud halten. Sie hörte sich das an, aber ich merkte, sie konnte es nicht verstehen. Sie wandte ein, dass Nathan sagte, er liebe Gregory, er würde sich freuen, ihn zu sehen, und er habe auch schon angerufen, doch man habe ihn nie durchge-stellt.
Ich dachte damals, Gregory würde gleich wahnsinnig werden, so tobte er. »Ich will überhaupt nichts mehr davon hören!
Sag's mir gleich, wenn du ihm meine Geheimnummer gegeben hast! Diese Leute haben mir wehgetan. Ich war noch ein Junge, als ich sie verlassen habe. Sie haben mir wehgetan!
Und ich habe mir eine eigene Kirche, einen eigenen Stamm geschaffen, auf meine Art und Weise. Ich bin mein eigener Messias!« Ich versuchte, ihn zu beruhigen, und sagte: »Gregory, bitte, wir sind hier nicht vor laufenden Kameras auf der Kanzel. Setz dich hin. Beruhige dich.«
Aber Esther wollte wissen, warum Gregory denn Nathan gegenüber so großzügig gewesen sei und ihn ins Krankenhaus habe einweisen lassen. Nathan habe ihr davon erzählt, dass er unter Gregorys Namen durchgecheckt worden sei, dass Gregory alle Kosten auf sich genommen habe und Nathan in seinen Privaträumen im Krankenhaus untergebracht habe. Er habe nicht gewollt, dass der Rabbi oder seine Frau sich sorgten, er habe sich selbst um alles gekümmert. Er sei so groß-
zügig gewesen.
Ich schwöre dir, daraufhin fuhr Gregory endgültig aus der Haut. Da erst merkte ich, wie verwickelt das Ganze war. Gregory ging es also um mehr als nur um Publicity. Denn ich konnte deutlich sehen, dass die Verbindung zu den Chassidim eigentlich für Gregory und die Sekte nur von Nutzen sein konnte - das Okkulte konnte ihm einen besonderen Status verleihen, du weißt, was ich meine?‹
›Ja, klar, nach dem Motto: Dieser große Führer erwuchs uns aus fremdartigen und reingläubigen Wurzeln.‹
›Ja, und deshalb habe ich mich dann aufgerafft und ihm ein paar Fragen gestellt, zum Beispiel, warum Nathan ins Krankenhaus musste. Esther sagte, das habe Gregory vorgeschla-gen; er sagte, bei ihnen beiden stünde zu befürchten, dass sie an einer vererbbaren Krankheit litten, der Rabbi würde eine Untersuchung nie zulassen, und deshalb habe er Nathan einfach aus dem Verkehr gezogen, um die nötigen Untersuchungen unter Gregorys Namen machen zu lassen. Für Nathan war das Ganze ein Traum gewesen, dieses großartige Kran-kenhauszimmer, das koschere Essen und alles, was sich sonst für fromme Juden schickt, und vor allem, dass ihn alle für Gregory hielten. Er fand das ganz witzig. Natürlich stellte sich heraus, dass er diese Krankheit nicht hat, was immer es auch war. Meine Güte, was um Himmels willen ...‹
›Ah, ich verstehe‹, murmelte ich.
›Worauf läuft das alles hinaus?‹
›Was gab es denn sonst noch mit Nathan und Esther? Fällt dir noch etwas ein?‹
›Also, an diesem einen Abend, da haben wir stundenlang deswegen gestritten. Schließlich hat Esther erklärt, sie würde niemandem davon erzählen und würde auch nicht mehr versuchen, die Familie zusammenzubringen, aber sie wollte Nathan trotzdem von Zeit zu Zeit besuchen und ihm Grüße von Gregory übermitteln. Gregory weinte vor Erleichterung. Weißt du, Gregory kann auf Kommando weinen, vor allen Dingen vor den Kameras. Er ließ sich lang und breit darüber aus, dass ihn seine Leute verstoßen hätten und dass der »Tempel vom Geiste Gottes« ihm alles bedeute, dass das sein Leben sei, sein Lebenszweck. Immer, wenn er damit anfing, haben Esther und ich nur die Augen verdreht. Wir wussten schließlich, dass er die Lehren, die der »Tempel vom Geiste Gottes« verbreitete, anhand eines Computerprogramms ausgearbeitet hatte. Er hatte alle Informationen, die er über andere Kulte hatte, in den PC eingegeben, welche Vorschriften und Gebote für die jeweiligen Gläubigen am hilf- und trostreichsten
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