Engel der Verdammten
verteilt worden ist. Unterbrich mich nicht.‹
Er hob die Hand und fuhr fort.
›Es ist ein Virus, das innerhalb von fünf Minuten oder weniger den Tod bringt. Es hält sich nur so lange in der Luft, wie sein Wirt noch atmet, was nicht länger als fünf Minuten der Fall ist.
Als Erstes bewirkt es, dass das Gehirn nicht mehr klar arbeitet, dann erzeugt es ein friedvolles Hochgefühl.‹
Er lächelte sanft, seine Augen verschleierten sich, als lausche er einer großartigen und erhabenen Musik.
›Niemand wird leiden, Asrael, zumindest nicht länger als einige Sekunden. Ach, das ist so perfekt, verglichen mit der entsetzlichen, stümperhaften Dummheit Hitlers, als er die Juden folterte und niederschoss und abschlachtete. Was war er doch für ein rohes, grausames Ungeheuer. Ein Totengräber, ein Lumpensammler, ein Unhold, der mit dem Gold aus den Mündern von Millionen herumklimperte.‹ Er zuckte die Schultern.
›Ah, vielleicht war die Zeit einfach nicht reif. Wir hatten noch nicht die nötige Technologie.‹
Dann nahm er den Faden wieder auf: ›Das Virus wird zusammen mit einem tödlichen Gas abgeworfen, das innerhalb von vier Stunden wieder verfliegt. Diese Kombination sollte jedes Leben, vor allem das menschliche, in dem jeweiligen Gebiet abtöten. Meine Flugzeuge und Hubschrauber stehen weltweit bereit, um diese Vernichtung durchzuführen. Sie werden so lange über den ausgewählten Landstrichen kreisen, bis alle Menschen ausgelöscht sind. In einigen dicht besiedelten Städten, wie Bagdad und Kairo und Kalkutta, haben wir Fußtruppen organisiert, die das Gas und das Virus durch die Belüf-tungssysteme in große Gebäude leiten. Einige dieser Leute sind bereit, dabei selbst ihr Leben zu lassen, die andern werden Schutzanzüge tragen.‹
›Guter Gott, wie viele Städte, Länder, Menschen hast du im Sinn?‹
›Beinahe die ganze Welt, Asrael. Ich sagte es doch. Zwei Drittel der Weltbevölkerung. Du musst es einfach als eine unvermeidliche Seuche ansehen, meinetwegen eine Seuche, die in Gestalt eines Engels über uns kommt, um den Planeten vom Abschaum zu befreien, wie es durch andere Seuchen schon in der Vergangenheit geschehen ist. Weißt du, was der Schwarze Tod in Europa angerichtet hat?‹
›Wie könnte ich das nicht wissen?‹ Ich dachte an Samuel und die brennenden Häuser Straßburgs.
›Was du nicht weißt, ist, dass Europa ohne die Seuchen heute eine Wüstenei wäre. Du weißt nicht, wie viele Menschen während der Grippe-Epidemie am Anfang unseres Jahrhunderts starben. Du weißt nicht, dass AIDS gewollt ist. Du weißt nicht, dass man Mut braucht, von der Natur zu lernen und sich über sie zu erheben, anstatt mit ihr herumzupfuschen und bei ihrer Zerstörung ein Chaos entstehen zu lassen.‹
›Welche Länder sind betroffen? Du meinst Asien?‹
›O ja‹, antwortete er. ›Ganz bestimmt Asien, dann Vorderasi-en; alle Völker dort werden vom Angesicht der Erde gewischt.
Auch das nördliche Russland. Nur der kleine Ostteil soll verschont bleiben, und selbst das habe ich noch nicht endgültig entschieden. Und Japan wird es auch nicht mehr geben.‹
Er hätte am liebsten das Luftholen eingestellt, er redete ohne Unterbrechung und aufgeregt weiter.
›Du bist noch nicht lange genug in unserer Zeit, um die Logik dieser Sache zu begreifen. Als Erstes werden die bewohnten Gebiete des afrikanischen Kontinents ausgelöscht. Denk doch nur, Afrika von Menschen zu befreien. Unsere Ziele sind die Dörfer, alle Regionen, in denen Menschen leben. Nur die Tiere überleben, die weit entfernt von bevölkerten Gebieten leben.
Das Ganze ist brillant. Weißt du, das Virus wird sowieso kaum Tiere angreifen, und das Gas verfliegt so schnell, dass den meisten Tieren nichts geschehen wird. Es ist ein so komplexer Plan. Er besteht aus verschiedenen Stufen. Aber wir haben alles getan, um Panik, Schmerzen und Wissen um die Dinge bei den Betroffenen auszuschließen. Sie werden nicht leiden, nein, sie werden nicht die fürchterliche Todesangst erleben wie unsere Eltern und andere in den deutschen Lagern. Das war abscheulich, unmenschlich.‹
Ich unterbrach ihn nicht. Aber, Jonathan, du kannst dir vorstellen, welche Gefühle ich in dem Moment hegte. Panik stieg in mir auf, aber etwas, das härter war, überwand diese Panik: meine Entschlossenheit, dass dieser Wahnsinn nicht geschehen durfte! Auf keinen Fall geschehen durfte!
Ich verbarg meine Gefühle: ›Deine Visionen sind wahrhaft riesig, Gregory.‹
Mit
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