Engel der Verdammten
winkte mich zu sich heran. Ich stand auf, ging um den Tisch herum und neigte mich, um seine Umarmung entgegen-zunehmen, und er schloss mich in die Arme, hielt mich fest an sich gedrückt und erhob sich mit mir. ›Halte diese drei Tage lang meine Hand, mein Sohn, halte sie fest, und ich verspreche dir, dass Israel unter meiner Regierung in Frieden leben soll, solange es mich, Kyros, gibt und solange es Persien gibt, und Jahwe soll seinen Tempel bekommen. Du bist mutiger als ich, mein Sohn, und ich halte mich für den mutigsten Mann der Welt, musst du wissen. Doch du bist mutiger. Nun geh, und morgen werden wir gemeinsam diesen Weg antreten. Meine Liebe gehört dir, meine uneingeschränkte Liebe, die Liebe eines Königs, der ein König war, ehe er zu dir kam, der ein noch größerer König sein wird durch dich.‹
›Ich danke Euch, mein Herr‹, sagte ich. ›Seid gut zu meinem Volk. Ich bin ein schlechter Fürsprecher meines Gottes, doch er ist ein mächtiger Gott.‹
›Ich ehre ihn‹, gab Kyros zurück, ›ihn und auch den Glauben und die Götter all derer, die ich unter meinen Schutz stelle.
Gute Nacht, mein junger Freund, gute Nacht.‹
Er drehte sich um, seine Soldaten sammelten sich um ihn, und sehr aufrecht und ruhig verließ er den Raum. Nun war niemand mehr da außer mir selbst, den Priestern und Asenath.
Ich sah mich um. Die Toten waren verschwunden. Doch vielleicht hatte Marduk sie verscheucht, der zurückgekommen war und uns mit verschränkten Armen beobachtete.
›Abschiedsworte für mich?‹, fragte ich.
›Ich werde bei dir sein‹, sagte er. ›Ich will meine ganze Kraft aufwenden, um bei dir zu sein, deine Schmerzen zu lindern und dich zu unterstützen. Ich sagte es ja schon, ich kann mich an nichts dergleichen erinnern, weder an eine Prozession, noch an Geburt oder Tod. Und vielleicht werde ich noch immer da sein, für Babylon, wenn dein Lebenslicht sich schon mit dem erhabenen Feuer eures Gottes vereint hat. Wenn du eine solche Liebe für dein Volk aufbringen kannst, vielleicht kann auch ich mein Volk dann noch ein klein wenig stärker lieben.‹
›Oh, zweifle nicht an ihm, er ist schon ein toller Dämon‹, spottete Asenath.
Marduk warf ihr einen bösen Blick zu und verschwand.
Der alte Priester hob die Hand, als wolle er sie schlagen, da lachte sie ihm mitten ins Gesicht.
›Ihr könnt ohne mich nichts ausrichten, ihr Dummköpfe‹, sagte sie. ›Und ihr schreibt besser nieder, was ich euch jetzt sage.
Ihr seid zum Totlachen, ihr alle, ihr heiligen Priester Marduks.
Es ist ein Wunder, dass überhaupt einer von euch die Gebete lesen kann!‹
Remath trat zu ihr. ›Denke an dein Versprechen‹, murmelte er ihr kaum hörbar zu.
›Alles zu seiner Zeit‹, gab Asenath zurück, ›sein Vater hat die Tontafel verborgen, sodass du sie nie finden würdest. Wenn die drei Tage vergangen sind, wenn die Armee durch alle Tore in die Stadt einmarschiert ist, wenn die Hebräer schon auf dem Heimweg sind, werde ich dafür sorgen, dass du den Inhalt erfährst.‹
›Was hat es mit dieser Tafel auf sich, von der ihr sprecht?‹, wollte ich wissen. ›Was spielt sie für eine Rolle?‹ Natürlich wusste ich, wo sie war, wo sie mein Vater in unserem Haus versteckt hatte.
›Ein Gebet für deine Seele, Sohn‹, sagte Asenath, ›damit du Gott schauen mögest; und dir ist natürlich klar, dass das eine Lüge ist.‹ Sie schüttelte den Kopf. Ihre Heiterkeit fiel von ihr ab, und auch ihr Hass verließ sie. ›Es ist ein uralter Zauberspruch. Du wirst wählen können in deinem Todeskampf. Du musst dir im Augenblick keine Gedanken deswegen machen.
Nur eine Zauberformel, an die die Alten glaubten, das ist alles, mehr hat es nicht damit auf sich. Was wir hier jetzt tun, ist ärzt-liches Wissen anwenden, nicht Zauberei.‹
Sie führten mich durch den Palast bis hin zu einem großen Raum, den wir betraten, nachdem auch hier ein aus uralter Zeit stammendes Siegel erbrochen worden war. Diener huschten flink an uns vorbei, um Tische und Lampen aufzustellen.
Ich sah, dass ein großer Kessel hereingebracht wurde und ein Kohlenbecken für das Feuer, das darunter entfacht werden sollte. Zum ersten Mal spürte ich, wie Angst mich würgte.
Angst vor Qualen und Schmerzen, Angst vor Verbrennungen.
›Falls ihr mich, was die Schmerzen betrifft, belogen habt, sagt mir wenigstens jetzt die Wahrheit, das würde mir das Ganze erleichtern.‹
›Wir haben dich nicht belogen!‹, sagte der Hohepriester. ›Du wirst
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