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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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unter vielen biologischen Stufen ist, dass der Geist eine höhere Stufe erklimmt, dass das alles eine Sache von Atomen und Teilchen ist, so wie du gesagt hast.«
    »Du beachtest solche Thesen?«
    »Natürlich. Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich hoffe, dass mein Licht sich mit dem Licht Gottes vereinigen wird. Oder vielleicht auch nicht? Doch, ich bin schon interessiert an dem, was andere glauben, sehr interessiert sogar. Dieses Zeitalter ist nicht so stark von Gleichgültigkeit geprägt, wie es den Anschein hat.«
    »Ja, da stimme ich mit dir überein«, sagte er. »Dies ist eine praktische, pragmatische Zeit, und Sinn für Anstand ist ihre erste Tugend - du weißt doch, anständige Kleidung, Unter-kunft, Essen ...«
    »Hmh«, sagte ich.
    »Aber es ist auch eine Zeit großzügigen, offenen Denkens, vielleicht die erste Zeit überhaupt, in der anders denken nicht die Gefahr in sich birgt, dafür bestraft zu werden, denn im Endeffekt kann man predigen, was immer man will, ohne in Ketten davongezerrt zu werden. Niemand denkt mehr an so etwas wie die Inquisition.«
    »Doch, es gibt schon Leute, die daran denken, das sind die Fundamentalisten jeder einzelnen existierenden Sekte, doch in den meisten Ländern der Welt haben sie nicht die Macht, jemandem zu schaden, sei er nun Prophet oder Gotteslästerer. Das ist es, was du bemerkt hast.«
    »Ja«, stimmte er zu.
    Wieder eine Pause.
    Er richtete sich auf, offensichtlich erfrischt und bereit weiterzuerzählen. Er wandte sich mir zu, sein Arm lag mit leicht nach hinten abgewinkeltem Ellenbogen auf der Lehne des Sessels; im Schein des Feuers glitzerten die mit dickem Goldfaden auf den blauen Samt aufgestickten Ornamente. Sie verliefen in Schleifen und Bögen, zweifellos ein altehrwürdiges Muster, das wahrscheinlich sogar eine historische Bezeichnung hatte.
    Er warf einen Blick auf die Recorder. Ich bedeutete ihm, dass wir - die Kassetten und auch ich - ganz Ohr waren.
    »Kyros hielt Wort«, sagte er mit einem Achselzucken. »Jedem Beteiligten gegenüber. Sowohl gegenüber meiner Familie als auch gegenüber den Hebräern in Babylon. Die, die fortwollten
    - und nicht alle wollten Babylon verlassen -, ließ er zurückkehren nach Zion, wo sie den Tempel wieder aufbauten, und nie verübten die Perser dort irgendwelche Grausamkeiten. Ver-druss gab es erst, als die Römer kamen, wie wir vorhin schon festgestellt haben. Und auch du weißt, dass viele, viele He-bräer in Babylon blieben, das als ein Sitz der Gelehrsamkeit galt; sie studierten, schrieben den Talmud dort, bis die Stadt eines schrecklichen Tages, viele Jahrhunderte später, nieder-gebrannt und zerstört wurde. Doch das war viel später. Jetzt will ich dir erst einmal von den beiden Gebietern berichten, die mich alles lehrten, was für mich von Nutzen sein konnte.«
    Ich nickte. Er verfiel in ein Schweigen, das ich nicht brechen mochte.
    Ich schaute ins Feuer, und für eine Sekunde überkam mich ein dumpfes Schweregefühl, als habe sich mein Lebensrhythmus, der Schlag meines Herzens, mein Atem, als habe sich die Welt selbst verlangsamt: Die Flammen des Feuers züngelten über Holz, das ich nicht gesammelt hatte. Zedernklötze brannten laut knisternd zwischen den Eichenscheiten und verströmten ihren Duft, und wieder erschien es mir für einen Augenblick, dass ich gestorben war, dass ich mich auf einer höheren geistigen Stufe befand. Ich roch Weihrauch, und ein Gefühl unaussprechlichen Glücks durchströmte mich. Ich wusste, ich war krank, denn meine Brust schmerzte, und auch meine Kehle, doch all das war unwichtig. Ich fühlte mich einfach nur glücklich. Was wäre, wenn ich nun tot bin, dachte ich.
    »Du lebst«, kam seine Stimme, sanft und gleichmäßig. »Möge der Herr dich segnen und behüten.«
    Er beobachtete mich schweigend.
    »Was ist, Asrael?«, fragte ich.
    »Nichts, nur dass ich dich mag«, antwortete er. »Verzeih mir.
    Ich kannte deine Bücher. Ich liebte sie; doch ich habe nicht gewusst, ... dass ich dich mögen würde. Ich habe nun eine Vorausahnung, wie meine Existenz sein könnte ... Ich ahne etwas von dem, was Gott vorgesehen hat, aber das ist jetzt unwichtig. Wir sprechen über die Vergangenheit, nicht über Gott und die Zukunft...«

    Teil II

    Ästhetische Theorie

    Aus Ohren schmied ein Verswerk dir.
    Verkünd es,
    sodass die borkig-dunkle Knospe aufblättere gleich einem Hirn, verwahrt in einem Glase.
    Walnuss aus Wachs, die unterm Flusse der Gedanken schmilzt.
    Fast obszön kenntnisreich

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