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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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beleidigt, noch irgendwie be-stürzt.

    »Sie war Esthers Mutter. Sie wollte nicht in Gregorys Haus sterben. Aber ich will dir sagen, was merkwürdig war. Als er ihren toten Körper sah, schien er wirklich von Kummer überwältigt. Ich glaube, er liebte sie wirklich. Wir vergessen immer, dass auch solche Menschen lieben können.«
    »Möchtest du mir sagen ... ob du sie getötet hast oder nicht?
    Oder sollte ich das besser nicht fragen?«
    »Ich habe sie nicht getötet«, sagte er schlicht. »Das wissen die auch. Sie waren dort. Das war schon ziemlich bald danach. Warum sollten sie sich also noch die Mühe machen, nach mir zu suchen?«
    »Das hängt alles mit dieser Intrige zusammen, mit Banken und geheimen Plänen und dem langen Arm der Sekte. Du bist für sie der geheimnisumwitterte Mann.«
    »Ah, so. Und wie ich schon sagte, ich bin auch derjenige, der, wenn's sein muss, verschwinden kann.«
    »Dich zurück in die Gebeine begeben?«, fragte ich.
    »Ach, die Gebeine, diese goldenen Knochen.«
    »Bereit, weiterzuerzählen?«
    »Ich überlege gerade, wie ich es anstellen soll. Ein bisschen mehr sollte ich dir schon erzählen, ehe die Sache mit Esthers Tod an die Reihe kommt. Es gab Gebieter, die ich wirklich liebte. Das musste ich näher erklären.«
    »Du wirst mir nicht von allen berichten?«
    »Es waren zu viele«, sagte er, »die einen sind die Erinnerung nicht wert, und andere habe ich völlig vergessen. Nur über zwei möchte ich dir mehr erzählen. Der erste und der letzte der Gebieter, denen ich je gehorchte. Ich hatte schon lange jeden Gehorsam verweigert. Wenn man mich heraufbeschwor, tötete ich - nicht nur den, der mich gerufen hatte, sondern jeden weiteren Augenzeugen ebenfalls, das ging so über endlose Jahre hinweg. Bis man schließlich meine Knochen zusammen mit einem warnenden Hinweis in hebräischer, deutscher und polnischer Sprache m einem Gefäß versiegelte und niemand mehr das Risiko einging, den Hüter der Gebeine zu rufen.
    Aber ich wollte ja über diese beiden sprechen, über den ersten und den letzten der Meister, denen ich gehorchte. Die anderen, die mir im Gedächtnis haften geblieben sind, brauchen wir nur mit ein paar Worten zu streifen.«
    »Du wirkst wieder fröhlicher, ein wenig ausgeruhter«, stellte ich fest.
    »Tatsächlich?« Er lachte. »Wie kommt das? Ja, klar, ich habe geschlafen, und ich bin stark, sehr stark, daran ist kein Zweifel. Und diese Geschichte hat es so an sich, mir immer wieder Rückblicke zu verschaffen.«
    Er seufzte.
    »Selbst im Tod ist mir ein Leben ohne Schmerz nicht vergönnt«, sagte er. »Aber das habe ich nicht anders verdient, denke ich mir, da ich ein machtvoller Dämon bin. Der letzte Herr, dem ich gehorchte, war ein Jude in Straßburg. Zu der Zeit wurden alle Juden dort verbrannt, weil man sie beschul-digte, den schwarzen Tod verursacht zu haben.«
    »Ah, das muss im 14. Jahrhundert gewesen sein.«
    »Im Jahr 1349 der heutigen Zeitrechnung«, lächelte er. »Ich hab es nachgelesen. Überall in Europa tötete man damals die Juden, weil man sie für die Pest verantwortlich machte.«
    »Ich weiß. Und seitdem hat es noch eine Menge weiterer Ver-folgungen gegeben.«
    »Unser entzückender Gregory Belkin, weißt du, was der zu mir sagte? Als er dachte, er sei mein Gebieter und ich würde ihm helfen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Er behauptete, wenn der schwarze Tod nicht in Europa ausgebrochen wäre, wäre der Kontinent heute eine Wüste. Er sagte, ohne die Seuche hätte es eine Bevölkerungsexplosion gegeben, und dann wären in kürzester Zeit alle Wälder verschwunden gewesen, weil zu viel Holz benötigt wurde. Und wir wissen, dass man heute den Ursprung der europäischen Wälder auf die Zeit des 14. Jahrhunderts zurückdatiert.«
    »Das stimmt, denke ich«, gab ich zu. »Wollte Belkin damit den geplanten Völkermord rechtfertigen?«
    »Ach, das war nur eine von vielen Erklärungen. Gregory war schon außergewöhnlich, wirklich, denn er war ehrlich.«
    »Und nicht verrückt, als er diese weltumspannende Sekte schuf und haufenweise Terroristen darin heranzüchtete?«

    »Nein«, schüttelte Asrael den Kopf. »Nur rücksichtslos und ehrlich. Einmal sagte er zu mir, dass es nur einen Mann gegeben hat, der die gesamte Weltgeschichte veränderte. Ich dachte, er meinte Jesus Christus oder Kyros, den Perser.
    Oder vielleicht Mohammed. Aber nein, er sagte, dieser Mann sei Alexander der Große gewesen. Und das war sein Vorbild.
    Gregory war geistig völlig gesund. Er

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