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Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verfluchen dich alle, denn sie wollen weiterleben. Kannst du sie verstehen?«
    »Ja, ich kann sie verstehen.«
    »Wirst du Karipuri töten?«
    »Nein, ich bin kein Mörder.« Dr. Haller schloß die Augen. Dieser Schwebezustand war das Köstlichste, was er je erlebt hatte. »Vielleicht ist es die ärztliche Achtung vor dem Leben. Ich weiß es nicht genau, Siri, aber selbst an einem Karipuri könnte ich nie zum Mörder werden. Aber er wird die Strafe erhalten, die er verdient. Dafür werde ich sorgen, und wenn es das letzte ist, was ich in meinem Leben vollbringe.«
    »Du wirst noch vieles vollbringen, Chandra. Und ich werde immer bei dir sein.« Haller schloß die Augen. Sie küßte ihn wieder und behielt seinen Kopf zwischen ihren schmalen Händen. Er schlief wieder ein, und als es zu regnen begann und die dicken Tropfen auf die fetten Blätter schlugen wie Trommelwirbel, wachte er davon nicht auf.
    Dr. Adripur kümmerte sich um Bettina Berndorf.
    Karipuri hatte ihn von jeglichem ärztlichen Dienst entbunden und ihm als einzige Patientin Bettina überlassen. Das Hospital wurde wieder mit Leprösen belegt, die neuen Ärzte, unter denen drei Chirurgen waren, nahmen ihre Arbeit auf, neue Stationen wurden eingerichtet, Dr. Kalewa und Dr. Butoryan wurden zu Abteilungsärzten ernannt, denn sie, die als einzige Neulinge ein paar Wochen unter Dr. Haller gearbeitet hatten, waren nach Ansicht Taikkys schon so verdorben worden, daß man sie nur mit dem Trick einer Beförderung auf den neuen Kurs einschwenken konnte.
    »Wir können uns keine romantischen Erinnerungen an Dr. Haller leisten«, sagte Taikky zu Karipuri. »Vor allem Butoryan ist wie ein Hund, der seinem Freßnapf nachtrauert. Es ist unheimlich, wie dieser versoffene Haller die Menschen auf seine Seite ziehen konnte! Es grenzt an Zauberei. Als Arzt war er so gut, daß man ihn hätte umbringen müssen, weil er alle anderen verdarb. Wo ist Haller jetzt?«
    »Er ist verschwunden«, sagte Karipuri verdrossen.
    »Das gibt es nicht. Haben Sie ihn suchen lassen?«
    »Halten Sie mich für einen Idioten?«
    »Bitte, verlangen Sie darauf keine ehrliche Antwort von mir, Ratna. Wenn ein Mensch so zerschlagen worden ist wie Haller, kann er einfach nicht verschwinden.«
    »Ich habe vier Suchkolonnen losgeschickt. Ich habe den Fluß absuchen lassen, die Straße nach Homalin, sogar den zugewachsenen Trampelpfad nach der alten Edelsteinmine. Sie haben alles abgesucht, bis zu den eingefallenen Stollen. Unmöglich, daß ein Mann diese Strecken in solch kurzer Zeit zurücklegen kann. Wenn Haller überlebt hat, muß er in den nächsten Tagen auftauchen. Er muß ja schließlich essen und trinken, auch als Heiliger.«
    »Sie vergessen Siri. Wir haben schon einmal erlebt, wie dieses Teufelsmädchen uns lächerlich gemacht hat.« Taikky goß sich einen Kognak ein. »Ihre Theorie, daß Siri und Haller gemeinsam dem Dschungel zum Opfer gefallen sein könnten, teile ich nicht! Kommen Sie mir nicht mit den Tigern! Das sind fettgefressene gemütliche Burschen, die nur aus Neugier um das Dorf schleichen.«
    »Niemand weiß, wo Siri ist, Taikky.«
    »Hat sie keinen Vater?«
    »Wir haben Minbya verhört. Er weiß nichts.«
    »Wenn Sie ihn fragen: ›Alterchen, sage mir, wo dein Töchterchen ist‹, bekommen Sie nie eine vernünftige Antwort.«
    »Bano Indin hat ihn so gefragt, daß wir Minbya später drei Rippen bandagieren mußten. Er spuckte Blut und sah kaum noch wie Minbya aus. Trotzdem bleibt er dabei, daß er sie nicht mehr gesehen hat.«
    »Mir fehlt hier das ›Haus der sieben Sünden‹«, sagte Taikky. »Mit Bano Indin könnte man einen Zweigbetrieb einrichten. Er ist ein Riesentier ohne Gefühl und Seele. Der Gouverneur von Lashio ist von Hallers Schurkenstreich unterrichtet. Er hat es übernommen, das Ministerium in Rangun zu informieren. Heute morgen traf über Funk die Antwort ein: Dr. Haller ist aus allen Listen gestrichen. Er war nie in Birma. Ist das ein Erfolg? Ferner:
    Bettina Berndorf wird auf Kosten der Regierung nach Deutschland zurückgebracht. Sie erhält keine Entschädigung, denn sie ist von einem Landsmann überfallen worden. Eine Verantwortung als Dienstherr Dr. Hallers lehnt die Regierung ab. Ein Dr. Haller ist unbekannt. Es liegt keinerlei Korrespondenz mit einem solchen Herrn vor. Der Klageweg bleibt natürlich offen. Aber wer will von Hamburg aus in Rangun klagen? Die Deutsche Botschaft ist auch schon verständigt. Der Botschafter wird Bettina Berndorf auf alle

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