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Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Mittelpunkt des Elends dieser Welt! Und es werden Berge von Geschenken kommen. Ob es dreitausend, sechstausend oder zehntausend Ampullen sind – wer kann das noch zählen, registrieren, katalogisieren? Wir werden ertrinken in einer Welle von Mitleid und Spendenfreudigkeit.«
    Taikky lehnte sich zurück, hob sein Glas gegen die Sonne und ließ den goldenen Kognak aufleuchten.
    »Karipuri, Sie müssen Haller finden. Wenn die Welle der Hilfsbereitschaft uns überspült, darf er nur noch eine Erinnerung sein. Nein, nicht einmal das! Sie und ich sind Schöpfer des neuen Nongkai! Wenn niemand wiederspricht, glaubt es in Kürze jeder. Karipuri, nutzen Sie die Chance!«
    Taikky streckte Karipuri beide Hände über den Tisch herüber. »Ich mag Sie gern, Karipuri. Sie sind das mieseste Exemplar von Mensch, das ich kenne.«
    Karipuri schlug nicht ein. Er sprang auf, so heftig, daß er den Korbstuhl umstürzte, und verließ die Veranda mit einer Eile, als flüchte er oder als müsse er sich übergeben.
    Eine Stunde später rückten vier Trupps zu fünf Mann hinaus in den Dschungel und an das Ufer des Flusses Nongnong. Sie hatten jetzt sogar Hunde bei sich. Aber seit man Haller aus Nongkai herausgeprügelt hatte, hatte es zweimal geregnet, aller Geruch war im Wasser ertrunken. Die Hunde liefen hin und her und blieben dann winselnd und unschlüssig stehen. Es gab keine Spuren mehr.
    »Beobachtet Minbya«, sagte Taikky am Abend, als Karipuri die Erfolglosigkeit meldete. »Töchter finden immer zu ihren Vätern zurück.«
    Aber auch Minbyas Überwachung brachte nichts ein. Man sah nur, daß er zum Haus des Predigers Manoron ging. Dann hörte man Gesang aus der Hütte, ein paar Mitglieder des Kirchenchores waren auch gekommen, einige Alte vom ehemaligen Dorfrat, der Küster und Dr. Adripur. Sie alle saßen in Manorons Hütte und sangen christliche Lieder.
    Jeder aber, der zu Manoron gegangen war, trug unter seinen Kleidern etwas für Siri und Dr. Haller: Gebratenes Fleisch in flachen Stücken, Fladen aus Maismehl, herrliches, frisch gebackenes, duftendes Weizenbrot, getrocknete Früchte, an Fäden zu einer Kette aufgereiht, zwei Bogen und dreißig vergiftete Pfeile, Medikamente gegen das Sumpffieber, Antibiotika für Hallers Wunden, Puder und Binden, eine Decke für die kühlen Nächte, ein Beil und eine schmale Säge, einen Hammer und ein Paket Nägel, einen Bohrer und eine Backenzange, Plastikbeutel und Salz, eine Öllampe mit Öl und eine Packung Streichhölzer.
    Jeden, der in die Hütte kam, segnete Manoron, küßte ihn auf beide Wangen und nannte ihn Bruder. Auch Dr. Adripur, den Brahmanen, nahm man nicht aus. Er ließ sich umarmen und setzte sich in die Reihe der Singenden.
    Bano Indin hatte die Bewachung des Hauses abgebrochen. Warum sollte man religiöse Idioten überwachen, wenn sie nichts tun als herumhocken und fremdartige Lieder singen? Gegen zehn Uhr in der Nacht klopfte es an die Falltür in Manorons Hütte. Er schob den Sisalteppich weg und hob die hölzerne Klappe.
    Siri tauchte aus der Erde auf. Ein Geruch von Moder wehte ihr voraus. Minbya bückte sich, zog sie aus dem unterirdischen Gang und umarmte sie. Er trug seine dunkle Binde über der zerstörten Nase, und niemand sah, daß unter ihr die Wundhöhle dick mit Watte austamponiert war, und niemand wußte, daß er ungeheure Schmerzen litt, trotz zweier Spritzen, die ihm Adripur gegeben hatte!
    »Mein Töchterchen –«, sagte er glücklich. »Wir sind stolz auf dich! Wie geht es unserem Doktor? Sag ihm, daß wir alle auf ihn warten.«
    Am Sonntagmorgen erschien Taikky im Hospital, um sich von Bettina Berndorf zu verabschieden. Sie war schon reisefertig, saß hinter den gepackten Koffern auf dem Bett und wartete.
    Sie trug die gleiche Kleidung wie bei ihrer Ankunft, nur ihr Haar war länger geworden, das ehemals runde Gesicht spitzer und in den Wangen eingefallen, die Hautfarbe bleicher. Adripur hatte eine leichte Gelbsucht diagnostiziert – Ausdruck eines übergroßen, nicht mehr beherrschbaren Ekels.
    Es war noch früh, die Kranken schliefen noch. Dr. Adripur saß draußen in dem kleinen Jeep, den ein junger Arzt fuhr. Ein dicker Lepröser, der geheilt war und sich als Pfleger hatte anstellen lassen, hockte auf der Lehne des Hintersitzes, ein Schnellfeuergewehr auf den Knien.
    »Der Tiger wegen«, hatte Taikky zu Adripur gesagt. Aber Adripur wußte, daß der stumpfgesichtige Tongyan genausogut auf ihn schießen würde, wenn er versuchen sollte, vom Wagen

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