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Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht vom Dach?« schrie Karipuri hysterisch. »Alles steht herum, als ginge die Welt unter …«
    »Sie tut es auch, Ratna. Ein Untergang von drei, vier Minuten … dann ist die Welt des Dr. Haller endgültig vorbei. Dann gibt es nur noch unsere Welt.« Taikky stieß Karipuri vor die Brust. »Bewahren Sie Haltung, Sie Schwächling! In meinen Ohren klingt das nicht wie ein Abschied … für mich läutet der Kerl die neue Zeit ein! Ratna, Ihnen mangelt es an Phantasie! Die Ära Haller ist vorbei!«
    Sie blickten der Staubwolke nach, die durch das Tor wirbelte. Auf der Dschungelstraße, die festgewalzt war, sahen sie noch einmal kurz den Jeep. Bettinas blondes Haar warf einen Leuchtreflex zurück, als die Morgensonne ihren Kopf traf, dann schloß sich langsam das Doppeltor.
    Der Küster setzte den Kürbis ab. Die Menschen in Nongkai rührten sich wieder.
    »Ich habe ein gutes Frühstück vorbereitet, Karipuri –«, sagte Taikky.
    Er hakte Karipuri unter und zog den nur leicht Widerstrebenden mit sich fort zur Verwaltung. Dort warteten schon die Boys, in weißen, sauberen Uniformen und peinlich korrekt gewickelten Turbanen. Der große Tisch war überladen mit kaltem Braten, Früchten, Käse, Eierspeisen und Taikkys geliebtem, in Fett ausgebackenem süßem Gebäck. Mit keinem König hätte Taikky tauschen mögen.
    Oben, im Wipfel des höchsten Baumes, hingen Dr. Haller und Siri zwischen den wippenden Zweigen und starrten hinüber nach Nongkai.
    Fast eine Stunde hatte der Aufstieg gedauert. Als Haller die ersten Kletterzüge hinter sich hatte, fühlte er seine zerschlagenen Muskeln. Keuchend, mit knirschenden Zähnen, lehnte er sich gegen den dicken Stamm und drückte die Stirn gegen die harte Rinde.
    »Bleib stehen, Chandra«, sagte Siri. Sie hing einen Meter über ihm an einem Ast wie eine Katze, zog sich jetzt hoch und saß rittlings auf dem armdicken Holz. »Ich sage dir, was ich sehe.«
    Haller schüttelte den Kopf. »Zieh mich hinauf«, sagte er und legte alle Kraft in seine Stimme, um ihr einen Klang zu geben. »Verdammt, ich will dabeisein, wenn sie Nongkai verläßt!«
    Er band sich die lange, fingerdicke Liane unter den Armen um die Brust, warf das andere Ende Siri zu und griff nach dem nächsten Ast.
    »Zieh!« rief er.
    Siri hielt die Liane fest, schlang sie um den Ast über sich und blickte zu Haller hinunter. Ihre großen schwarzen Augen waren traurig.
    »So sehr liebst du sie?« fragte sie.
    »Ich liebe sie nicht! Ich will nur sehen, wie sie Nongkai verläßt!«
    »Dein Herz ist bei ihr, Chandra, nicht nur deine Augen.«
    »Ich habe kein Herz mehr! Verdammt, zieh mich hinauf!« Er begann stöhnend und keuchend weiterzuklettern, hing dann hilflos, seine Beine pendelten, seine Finger lösten sich aus der Verkrallung, rutschten ab. Nur die Liane hielt ihn fest. Als seine Hände vom Ast glitten, drehte sich sein freischwebender Körper um sich selbst, und die Liane schnitt unter seinen Achseln das Fleisch auf.
    Siri zog. Zentimeter um Zentimeter ruckte Haller hoher, konnte den Ast fassen und wälzte sich dann neben Siri an den dicken Stamm.
    »Das war erst ein Meter, Chandra«, sagte sie und wischte ihm den Schweiß vom Gesicht. »Und zehn sind noch über uns. Bleib hier sitzen.«
    »Nein! Ich muß hinauf, Siri.«
    »Du schaffst es nicht.«
    Er stieß sich von dem Stamm ab und zog sich empor. Dann war seine Kraft wieder verbraucht, und er war froh, daß Siri an ihm vorbeikletterte, die Liane drei Stufen höher um eine Astgabelung warf und ihn das letzte Stück hochzog. Sie stemmte sich dabei mit den Beinen gegen den Stamm, die Muskeln spannten sich unter ihrer glatten braunen Haut, die Bluse riß über den Brüsten auf, sie warf den Kopf zurück, öffnete den Mund vor Anstrengung und bog sich zurück, gegen die Last von Hallers Körper ankämpfend. Dann hockte er wieder einen Meter höher am Stamm, drückte die flachen Hände gegen die Brust und japste nach Atem.
    Er schaffte es bis oben. Als er auf dem Baumwipfel unter dem freien Himmel saß und die Sonne auf ihn einbrannte, lehnte er sich zitternd gegen Siri. Sie umfing ihn mit beiden Armen, preßte ihn an ihren warmen Leib und hielt ihn fest.
    Auch diese Minuten gingen vorüber. Haller sah an sich herunter. Der rote Brei war getrocknet und fiel in großen Schuppen ab, darunter kamen die Hämatome und die langen blutigen Striemen zum Vorschein, aber sie waren nicht mehr aufgetrieben, sondern glichen schmalen, roten Strichen, als habe jemand den Körper aus

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