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Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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küssen, wenn sie aufsteigt!« Sie warf sich über ihn wie eine auf ihre Beute springende Katze und wickelte seinen Kopf in ihr langes, schwarzes, nach süßem Zauber duftendes Haar.
    »Die Zeit läuft mir davon«, sagte er und streifte ihr die dünne Bluse von den Schultern. »Ich habe Angst, nicht mehr mitzukommen. O Gott, ein Leben müßte tausend Jahre haben!«
    Zwischen Hemden, Kleidern und Handtüchern liebten sie sich.
    In Nongkai war ein merkwürdiger Zustand der Unsicherheit, der Ratlosigkeit, ja, der Lähmung eingetreten.
    Nach Taikkys Flucht wucherten die Gerüchte wie Sumpfblumen im Dschungel. Dr. Karipuri, der das Fehlen seines Chefs erst am nächsten Mittag bemerkte, rief sofort über Funk bei Major Donyan in Homalin und dann in Lashio an. Aber niemand konnte eine Auskunft geben, alle waren sehr erstaunt und hatten keine Erklärung für Taikkys ›Alleingang‹, wie Donyan es sarkastisch nannte.
    Dr. Karipuri, bleich und hinter der Maske der Gelassenheit ein Bündel aus Angst, versammelte alle Ärzte und Schwestern um sich und versuchte, die unsinnigsten Mutmaßungen zu zerstreuen.
    »Donu Taikky mußte plötzlich in Geschäften weg. Das ist in den vergangenen Jahren mehrmals geschehen. Es gibt Dinge, die sofort getan werden müssen. So wie jetzt: Sorgen Sie dafür, daß die dummen Reden in Nongkai aufhören. Nur die Arbeit am Kranken ist für uns Ärzte wichtig. Taikkys Verwaltungssorgen gehen uns nichts an!«
    In Nongkai hatte sich in diesen Wochen vieles verändert. Trotz der Regenzeit, die das ganze Land in einen riesigen Schwamm verwandelte und auch die befestigten Wege im Dorf so aufweichte, daß man bis zu den Knöcheln in rötlichem Schlamm watete, machten die Bauarbeiten gute Fortschritte. Das neue Hospital war unter Dach, ein langgestreckter Flachbau, in dem hundert Schwerkranke behandelt werden konnten. Ein Ärzte- und Schwesternhaus schloß sich als Winkelbau an. Hier arbeiteten die einheimischen Zimmerleute noch an den Dachsparren, die man aus den riesigen Urwaldbäumen heraussägte. Ein Dach für Jahrhunderte! Die buddhistische Pagode war bereits fertig. Zur Einweihung waren drei Priester aus Bhamo gekommen und hatten einen großen steinernen Buddha mitgebracht, vor dem jetzt Tag und Nacht die Räucherpfannen dampften.
    »Es wird etwas geschehen!« sagte Minbya zu seinem Ältestenrat, drei Wochen nach dem Verschwinden Taikkys. Nach dem seltsamen Tod von Bano Indin, den niemand begriff, denn der Riese Indin lag eines Morgens tot in seiner Bürgermeisterhütte, ohne Zeichen einer Gewaltanwendung – Dr. Karipuri diagnostizierte Nervenlähmung durch Lepra –, hatte Taikky den verblüfften Minbya wieder als ›Dorfverwalter‹ eingesetzt. »Das ist ein Provisorium«, hatte Taikky gesagt. »Du hast das Recht einer Laus, aber die Pflichten eines Wachhundes! Wenn im Dorf etwas Unrechtes geschieht, mußt du den Kopf hinhalten!« Und Minbya hatte geantwortet: »Ein Wachhund muß auch beißen dürfen, Herr.«
    Es war ein schwerer Dienst geworden, aber Minbya tat es um Nongkais willen. Die ›Neuen‹ waren aufsässig, und es bedurfte einiger Schlägereien zwischen Indins Hinterbliebenen und Dr. Hallers ›Gardetruppe‹, bis man im Dorf verstand, daß Ordnung die halbe Heilung ist. Ein Lehrsatz, den Dr. Karipuri belächelte.
    »Warum haben Sie Minbya wieder eingesetzt?« hatte er Taikky kurz vor dessen Flucht gefragt. »Sehen Sie nicht, daß der verdammte Geist von Dr. Haller wieder aufersteht?«
    »Das soll er auch.« Taikky hatte provozierend gelacht. »Auch wenn Sie allergisch gegen Haller sind: Er hatte gute Ideen. Auf ihnen bauen wir weiter auf und stecken das Lob ein! Sie sollten sich mehr um Politik kümmern, Ratna. Wir werden Nongkai zu einer Musterkolonie machen und uns dabei goldene Berge verdienen!«
    Nun war Taikky weg, und Dr. Karipuri überlegte, ob er nicht auch den Rückzug nach Indien antreten sollte. Doch als er sich dazu entschlossen hatte, war es schon zu spät: Militär riegelte Nongkai ab. Das Lepradorf wurde Sperrgebiet. Sogar auf dem Nongnong fuhr ein Motorboot der Armee Streife und bewachte die Fischer, die zweimal in der Woche ihre selbstgeknüpften armseligen Netze auswerfen durften. Major Donyan unterrichtete Dr. Karipuri offiziell von der Einschließung Nongkais.
    »Ich kenne den Sinn dieser Maßnahme nicht«, sagte er steif. »Ich habe nur meine Befehle. Im Grunde ist es ja auch gleichgültig, ob Militär vor dem Dorf liegt. Ihre Arbeit findet ja im Dorf statt. Es sind

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