Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
dem man sich beugen mußte. Aber jetzt ist das anders geworden. Mit Banknoten kann man kein zerfressenes Gesicht zudecken, und Goldstücke ersetzen keine abgefaulten Finger.« Donyan half Taikky in den Hubschrauber. »Kommen Sie nicht wieder, Taikky. Wir alle haben Ihre unheimliche Intelligenz bewundert. Warum versagt sie jetzt? Weil der Haß stärker ist? Sie haben keine Chance mehr, solange Haller lebt.«
    »Sie haben das richtige Wort gesagt.« Taikky lächelte verzerrt. »Ich werde mich intensiv um ihn kümmern.«
    »Auch diesen Kampf verlieren Sie, Taikky! Ein gesunder Mörder kommt nie nach Nongkai, und ein Lepröser wird nicht den Mann töten, der ihn heilen kann.«
    Taikkys Kopf fuhr nach vorn. Es sah aus, als hacke er zu. »Haller kommt nach Nongkai zurück?«
    »Ja.« Donyan warf die Tür zu, verriegelte sie von außen und beugte sich durch das Fenster. »Er kommt. Das wissen Sie nicht?«
    »Nein, ich ahnte es nur.«
    »In der Nacht traf bei uns die Nachricht ein.« Donyan winkte dem Piloten. Die Motoren donnerten auf und begannen warmzulaufen. Donyan ging nahe an die Tür heran und brüllte zu Taikky hinauf, um den Lärm zu übertönen. »Es war auch der Befehl dabei, Sie zu verhaften!«
    Taikky nickte zum Zeichen, daß er verstanden hatte. Er lehnte sich zurück und legte den Ledergurt an. Er reichte knapp um den riesigen Bauch, und Taikky hatte Mühe, das Sicherheitsschloß einzuhaken. Dann kurbelte er die Scheibe hoch und winkte Donyan dankbar zu.
    Die Rotorflügel begannen zu kreisen. Donyan lief aus dem Windwirbel heraus und grüßte noch einmal, als sich der Hubschrauber mit hellem Kreischen in die Luft erhob.
    Donyan blickte der Riesenlibelle nach, wie sie der bleichen Morgensonne entgegenschwirrte und dann plötzlich im Blau des Himmels verschwand, als sei sie aufgesaugt worden. Aber bevor er sie ganz aus den Augen verlor, sah er noch, wie sie nach Westen abdrehte.
    Nach Indien also, dachte Major Donyan. Nahe der Grenze wird der Hubschrauber landen, und Taikky wird versuchen, sich nach Indien durchzuschlagen. Es wird nicht schwer sein, die Grenze ist nur durch Streifen bewacht, das Hochland ist unübersichtlich. Oft weiß man gar nicht, wo Birma aufhört und Indien anfängt. Wer will in diesen wilden, unbewohnten Gebieten schon eine genaue Grenze ziehen?
    Donyan ging langsam zurück zu seiner Kommandantenbaracke. Dort setzte er sich ans Telefon und rief den Kommandeur von Lashio an.
    »Donu Taikky hat Nongkai in der Nacht mit unbekanntem Ziel verlassen«, sagte er. »Meine Patrouillen sind unterwegs. Er kann nicht weit kommen.« Dann zögerte er und fragte nach einer Pause gedehnt: »Wann kommt Dr. Haller zurück?«
    »Noch unbekannt, Major.« Der Oberst in Lashio war schlechter Laune. Taikky war schneller gewesen. Das gab einen unangenehmen Bericht nach Rangun. »Ich verlege eine neue Kompanie zu Ihnen. Sperren Sie Nongkai ab wie in alten Zeiten! Wer das Dorf verläßt, wird sofort erschossen!«
    »Auch die Ärzte?« fragte Donyan.
    »Auch die Ärzte! Jeder, ohne Ausnahme! Ich kann Ihnen keine Erklärungen geben, ich habe auch nur meine Befehle.«
    Donyan legte den Hörer auf und blickte auf seine Uhr.
    Noch eine Stunde, dachte er. Dann wird der Pilot landen, auf der ›Hochebene der grünen Steine‹, und Taikky aus dem Hubschrauber holen.
    Indien vor Augen, wird er zum letztenmal alles Geld anbieten, das er besitzt, um sein verfluchtes, wertloses Leben zu erkaufen. Es wird ihm nichts nützen. Er weiß nicht, daß der Pilot einmal eine schöne junge Frau hatte, die in Nongkai an der Lepra starb, weil es keine Medikamente gab, dafür aber einen Verwaltungsdirektor Taikky, der am Tod der Ärmsten Zehntausende von Kyat verdiente.
    Drei Wochen brauchte Dr. Haller, bis er alle Regierungsmitglieder, deren Frauen, eine Schar von Verwandten und den Ministerpräsidenten untersucht hatte. Es zeigte sich, daß in diesen Kreisen die Gesundheit zum exklusiven Lebensstil gehört, aber da jeder Untersuchte von Dr. Haller erwartete, daß er eine Diagnose stellte und da Krankheit – nur ein bißchen, so ein Hauch von Krankheit, nicht gefährlich, aber attraktiv – ein nie langweiliger Gesprächsstoff ist, diagnostizierte Haller harmlose Leiden, die man mit ebenso harmlosen Tabletten und Dragees behandeln konnte. Ernsthaft krank waren nur der Polizeichef von Rangun und ausgerechnet der Gesundheitsminister. Für sie stellte Haller einen detaillierten Behandlungsplan auf und versprach, einmal im Monat nach Rangun

Weitere Kostenlose Bücher