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Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dieses Drecknest von Homalin für mich dar.
    »Was macht Adripur?« fragte er.
    »Er ist damals mit Bettina Berndorf abtransportiert worden.«
    »Das habe ich aus meinem Baumversteck gesehen.«
    »Seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört.« Donyan blickte Dr. Haller von der Seite an. Er wartete, bis Siri ein paar Schritte weitergegangen war und sich den drei indischen Schwestern zuwandte. »Was wissen Sie von Bettina?«
    »Nichts!«
    »Sie haben von Rangun aus keine Nachforschungen angestellt, Doc?«
    »Natürlich. Ich habe an ihre Hamburger Adresse geschrieben. Keine Antwort. Ich habe beim Deutschen Entwicklungsdienst angefragt. Schweigen. Ich habe die Deutsche Botschaft in Rangun eingeschaltet. Ohne Erfolg. Schließlich habe ich es aufgegeben.«
    Dr. Haller zeigte auf die zusammengetriebenen Kranken. Vierzehn Schwerkranke lagen auf schmalen Tragen, wegen des schaukelnden Transportes im Flugzeug waren sie mit Lederriemen festgeschnallt. »Sie müssen sofort ins Hospital. Wer hat jetzt die Leitung, nachdem Karipuri verschwunden ist?«
    »Dr. Butoryan.«
    »Der kleine Dicke? Ein guter Arzt, Major.«
    »Er wartet drüben im Jeep. Gehen wir?«
    »Erst zu den Kranken.« Dr. Haller wandte sich ab, ging zu den Leprösen und faßte Siri um die Hüften, als er an ihr vorbei kam. »Du mußt dolmetschen. Sieh sie dir an: Sie wissen nicht, ob sie geschlachtet oder tatsächlich ärztlich versorgt werden. Sie zittern vor Angst.« Er drängte sich mitten unter die schwitzenden, stinkenden Leiber und zog einen Mann an sich heran, dessen Gesicht dick mit Lepraknoten überwuchert war.
    »Seht ihn euch an!« rief er auf englisch. Sofort ertönte Siris helle Stimme neben ihm auf birmesisch. »Er hat keine Hoffnung mehr. Er weiß, wie er aussieht, und er weiß, wie er sterben wird. Aber er soll nicht sterben. Ich werde mit seiner Krankheit kämpfen, bei jedem von euch werde ich kämpfen, mit allen Mitteln, die es heute gegen die Lepra gibt. Habt keine Angst! Ich kann euch nur die Hoffnung wiedergeben, aber sie wird stark genug sein, euch am Leben zu erhalten.«
    »Warum haben Sie das gesagt, Doktor Haller?« fragte Donyan, als sie kurz darauf zu dem wartenden Jeep von Nongkai gingen. Dr. Butoryan war herausgesprungen und nestelte nervös an seiner Leinenjacke. »Das klang verdammt pathetisch.«
    »Das sollte es auch!« Dr. Haller atmete tief auf. »Jetzt habe ich einhundertzwölf neue Anhänger. Weiß ich, ob ich hier nicht eine neue Hausmacht brauche?«
    »Nongkai gehört wieder Ihnen, Doc! Mehr als damals. Es gibt keinen Taikky mehr, keinen Karipuri, keinen Bano Indin mit seiner Schlägertruppe. Es gibt nur noch Kranke, die ›ihren Heiligen‹ erwarten.«
    »Um Gottes willen, bloß das nicht!« Haller blieb stehen. »Diese verfluchte Engel-Existenz bricht mir das Kreuz!«
    »Können Sie es ändern? Sie kennen diese armen Menschen. Gott ist weit, aber der Arzt ist nah. Wenn man sich festklammert, greift man zum nächsten Ast, nicht zur Baumkrone.« Donyan hob die Schultern.
    Dr. Butoryan kam ihnen entgegen. Er hatte seine dicke Brille abgenommen und putzte sie mit einem Jackenzipfel. Vor Aufregung waren ihm die Gläser beschlagen. »Sie werden Nongkai nicht wiedererkennen, Doc. Ein neuer buddhistischer Tempel, das zweite Hospital im Innenausbau, neue Häuser für die Leprösen, eine Schwesternstation. Unsere Transportmaschinen haben Einsätze wie im Krieg geflogen. Alles, was kriechen kann, ist pausenlos am Bau beschäftigt. Wer Nongkai aus der Luft sieht, denkt an einen riesigen Termitenhaufen.« Donyan blieb ruckartig stehen. »Saufen Sie noch, Doc?«
    »Nein.«
    »Schade! Jetzt hätten Sie Grund dazu! So eine richtige Siegesfeier!«
    »Ich muß Sie enttäuschen, Major. Alkohol war für mich eine Ersatzwelt. Heute habe ich eine wirkliche.«
    »Sogar eine eigene.«
    Haller betrachtete Donyan und schüttelte dann den Kopf. »Irgend etwas fällt mir an Ihnen auf«, sagte er. »Etwas ist anders. Ihre Frisur?«
    »Nein. Meine Uniform.« Donyan lachte laut. »Ich bin nicht mehr Major, ich bin Oberst und Kommandant von Bhamo.«
    »Gratuliere, Donyan!«
    »Gratulieren Sie sich. Auch das ist Ihr Werk, Doc. Wo Sie auftreten, verändern Sie die Welt!«
    »Und dabei bin ich der bequemste Hund, den man sich denken kann.«
    »Und haben in Nongkai sechzehn Stunden ohne Unterbrechung operiert und dann noch Hausbesuche gemacht. Sie sind ein Bär von einem Kerl, Doc!«
    »Ich wünschte, ich hätte die Gesundheit eines Bären.«
    Dr. Butoryan

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