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Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Blaulicht und Martinshorn haben.«
    »Das gäbe ein Geheule!« Der Fahrer grinste. »Wo fliegen Sie denn hin?«
    »Ich nicht. Unsere Kollegin im nächsten Taxi. Nach Neu-Delhi und von dort nach Rangun …«
    »Was ist 'n das?«
    »Hauptstadt von Birma …«
    »Sind Sie Journalist?«
    »Nee, Entwicklungshelfer. Krankenpflegedienst vor allem …«
    Der Taxifahrer schielte zu dem jungen Mann und schob die Unterlippe vor. Die Ampel sprang auf Grün, die Blechschlange kroch langsam weiter.
    »Und das gefällt Ihnen?«
    »Warum nicht?«
    »Für'n Appel un 'n Ei in der Wildnis irgendwelchen Urmenschen zeigen, daß man sich mit Papier den Hintern abputzen kann?«
    »Vor zweitausend Jahren machten unsere Vorfahren auch noch in die Büsche. Man vergißt das immer, wenn man in einem gekachelten Lokus mit Duftabsorber sitzt.« Peter Pattmann, ein junger, großer Mann mit blondem Kinnbart und dichten Haaren, beugte sich nach hinten und sah durch die Rückscheibe. Das Taxi mit Bettina und den drei anderen Freunden folgte dicht auf, dahinter schob sich der dritte Wagen heran. Endlich hatten sie die grüne Welle erwischt. »Schaffen wir es noch?«
    »Daß Sie's so eilig haben, ans Ende der Welt zu kommen!« Der Taxifahrer bog von der Hauptstraße ab in eine Querstraße, auf der sich der Morgenverkehr nicht auswirkte. Parallel zur Blechlawine fuhren sie jetzt zügig in Richtung Flughafen, kamen durch die Vororte, dann durch Randsiedlungen mit dörflichem Charakter. Über ihnen brummten bereits die schweren Düsenmaschinen hinweg. »Wenn's so weitergeht, kommt Ihre Kollegin gerade noch mit 'nem Hechtsprung ins Flugzeug«, sagte der Fahrer.
    »Das haben wir geübt.« Peter Pattmann winkte nach hinten. Aus dem zweiten Taxi winkte ihm Bettina zu.
    Dann wandte er sich wieder an den Chauffeur, der aufs Gas trat und unter Mißachtung der 50-km-Beschränkung durch die stillen Orte raste.
    »Kommt da überhaupt was bei raus?« fragte der Fahrer. »Ich meine, da schickt man ein junges Mädchen in die Wildnis, das soll Kultur oder sonst was bringen, und die da drüben wollen das gar nicht, was? Ich weiß das nicht, ist ja möglich. Habe mal davon gelesen, und im Fernsehen haben sie Filme gebracht. Muß eine Knochenarbeit sein, und hinterher bleibt nichts übrig als 'n paar Kinder, die auf deutsch Ringelreihen spielen. Lohnt sich das überhaupt?«
    Peter Pattmann nickte. »Stellen Sie sich vor«, sagte er, »Sie seien Taxifahrer in Rangun. Plötzlich knallt es auf einer Kreuzung, Ihr Auto ist im Eimer, und Sie liegen auf der Straße mit einer Milzruptur …«
    »Mit was?« fragte der Taxifahrer mißtrauisch.
    »Ihre Milz ist zerrissen. Lenkrad in 'n Bauch … Bums, ist se hin! Hat man oft.«
    »Gibt's denn in diesem Rangun überhaupt Kreuzungen?«
    »Mann, das ist eine Großstadt mit fast 800.000 Einwohnern. So groß wie Köln. Aber schöner.«
    Der Taxifahrer verzog die Lippen und schwieg. »Ich hab' also keine Milz mehr, gut«, sagte er dann.
    »Nicht gut, denn es könnte sein, daß man in Rangun zwar operieren kann, aber nicht über solche Erfahrungen in Unfallchirurgie verfügt wie wir hier. Außerdem ist die medizinische Versorgung der Bevölkerung noch im Aufbau, man braucht gute Ärzte, modernste Geräte, Erfahrungsaustausch. Und deshalb schickt die Entwicklungshilfe Ärzte und Schwestern hin.«
    »Und das Fräulein operiert 'ne Milz?«
    »Nein. Das Fräulein ist examinierte Krankenschwester und hat eine Fachausbildung in Tropenmedizin. Sie hat einen Anstellungsvertrag der birmesischen Regierung und fängt schon in drei Tagen mit der praktischen Arbeit an.«
    »In diesem Rangun?«
    »Nein. In einem Lepradorf.«
    »Pfui Deibel!« Der Fahrer sauste in eine langgezogene Kurve. Von weitem tauchte der Tower auf, die Straße wurde breit, mündete in die große Zufahrt zum Flugplatz und zu den Parkplätzen. Donnernd rauschte über ihnen ein Düsenriese und setzte zur Landung an. Die kleine Kolonne aus drei Taxis bog in den Zubringer ein. »Lepra!« Der Fahrer blickte Peter Pattmann kurz an. »Da läßt man sie ganz allein hin?«
    »Fräulein Berndorf ist ein resolutes Mädchen. Außerdem war es ihr Wunsch.«
    »Und Sie?«
    »Ich fliege in einer Woche nach Malawi.«
    »Und die anderen?«
    »Nach Uruguay, Sambia, Somalia, Malaysia, Honduras und auf die Seychellen.«
    »Verrückt.« Sie hielten vor der Auffahrt des Flughafengebäudes. Der Fahrer sprang aus seinem Wagen und ging auf das zweite Taxi zu. Er war neugierig, wie ein Mädchen aussieht,

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