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Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Behandlungsmethoden. Verdammt, ich habe für dieses Leben hundertmal gebüßt! Bis nach Nongkai!«
    »Und schon nach vierundzwanzig Stunden werden Sie auch hier wieder um sich schlagen müssen, Doktor Haller. Nur daß Sie diesmal etwas Gutes tun und dafür bestraft werden sollen.« Adripur hob die schmalen Schultern. Er sah krank aus wie ein Schwindsüchtiger; seine von Natur aus bräunliche Haut hatte einen Ton ins Olivfarbene. Sie war fahl und seltsam durchsichtig.
    »Ich habe meine Leibgarde.« Haller zeigte auf die zehn kräftigen Jünglinge, die etwas abseits herumstanden. »Sie wird in drei Schichten arbeiten und auch nachts bei mir sein.«
    »Dazu wird Ihr Zimmer im Hospital zu klein sein. Oder schlafen Sie im Verwaltungsgebäude?«
    »Weder – noch. Ich habe mir von Minbya eine leerstehende Hütte geben lassen. Ich werde mitten unter meinen Kranken leben, mit ihnen essen, mit ihnen trinken, mit ihnen schlafen und mit ihnen sterben. Ist das nicht eine gute Aufgabe?«
    »Das Trinken sollten Sie weglassen, Dr. Haller. Es besteht kein Anlaß mehr. Sie müssen jetzt immer einen klaren Kopf haben. Taikky ist zwar ein Fettsack, aber sein Hirn arbeitet perfekt. Karipuri ist nichts weiter als ein Schurke. Er ist leicht zu durchschauen.« Dr. Adripur sah sich um. »Wo werden Sie wohnen, Dr. Haller?«
    »Das müssen wir den Bürgermeister fragen. Minbya, wo ist mein Haus?«
    »Das siebente neben der Kirche, Herr«, sagte Minbya. »Sie wollen wirklich bei uns bleiben?« Das Glück in seinen Augen war erschütternd. Seine knotigen Hände falteten sich, als wolle er beten.
    »Es wird sich vieles ändern.«
    »Ich habe eine Bitte.« Dr. Adripur sah Dr. Haller mit begeisterten Jungenaugen an. »Die Hütte ist zu groß für eine Person. Lassen Sie mich bei Ihnen wohnen?«
    »O je, das gibt einen Riesenkrach mit Karipuri.«
    »Ich werde ihn ertragen.«
    »Haben ›Sie‹ eine gute Lebensversicherung, Adripur?«
    »Ich bin für Taikky zu unbedeutend.«
    »Junge, Sie haben doch eine Stimme!«
    »Aber wer glaubt den Worten eines jungen Arztes? Ich kann nie diese Mauer von bestochenen Beamten durchstoßen. Außerdem bin ich Inder. Man würde mich sofort ausweisen.«
    »Ich bin ein versoffener Deutscher. Das ist noch weniger!«
    »Aber hinter Ihnen steht ganz Nongkai. Um Sie kaltzustellen, müßte man das Dorf ausrotten. Auch Taikky weiß das. Darum bleibt ihm nur ›ein‹ Weg …«
    »Ein heimtückischer Mord!«
    »Ein bedauerlicher Unfall. Sie haben keine Dschungelerfahrung, Dr. Haller. Wenn etwas passiert, war natürlich Ihre Unerfahrenheit daran schuld. Taikky hat die bessere Position in diesem Zweikampf.«
    »Ich habe meine Leibwache, Adripur.«
    »Nur solange Sie erfolgreich sind! Schaffen Sie hier nichts Neues, wird man Sie fallenlassen. Vergessen Sie das nicht: Sie müssen Wunder vollbringen. Das erwartet man von Ihnen!« Adripur wurde sehr ernst. »Und das kann Sie umbringen, Dr. Haller. Sie sind in einen Erfolgszwang geraten. Deshalb: Verzichten Sie auf den Alkohol!«
    »Ich will's versuchen, Sabu.« Haller legte den Arm um Adripurs schmale Schulter. Es tat ihm gut, einen Freund zu haben. Er war ein Mensch, zu dem er sprechen konnte und der nicht nach zwei Minuten grinsend sagte: »Sei still, du versoffenes Loch!« Wie war das gewesen, als er zum letztenmal einen Freund hatte? Vor fünf Jahren. Dr. Friedhelm Buchsbaum. Buchsbaum war es, der ihn drei Wochen lang bei sich wohnen ließ, nachdem Haller aus dem Zuchthaus entlassen worden war. Aber dann kapitulierte auch er. Am Ärztestammtisch begann man ihn zu schneiden. Irgendwer hatte den Slogan in Umlauf gebracht: Man kann in keine Praxis gehen, wo ein Mörder unterm Sofa schläft.
    Buchsbaum sagte nichts. Er war ein Pfundskerl, ein Freund und Kamerad, aber Haller ging dann von selbst. Er wollte den Freund nicht auch noch zugrunde richten.
    Geriet jetzt Dr. Adripur in solch eine Mühle?
    »Bleiben Sie in Ihrem Zimmer, Sabu«, sage Haller heiser. »Ich brauche keinen Kontrolleur.«
    Er war bewußt unhöflich, um Adripur abzuschrecken, aber es gelang ihm nicht. Der junge Inder durchschaute ihn sofort. Er lächelte nur. »Ich hole gleich meine Sachen, Dr. Haller. So long!«
    »So jung und schon so ein Rindvieh! Sabu, morgen mache ich mit Ihnen einen Tuberkulosetest! Ich stelle Sie erst mal unter den Röntgenschirm.«
    »Der ist seit vier Monaten kaputt!«
    »Und keiner hat ihn repariert?«
    »Wozu? Taikky sagt: ›Die Lepra sieht man auf der Haut, dazu braucht man nicht

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