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Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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entschuldigen, eine Entschädigung zahlen und dich als Heldin zurück nach Deutschland schicken.‹ Dann fiel er das zweite Mal über mich her. Es war fürchterlich, aber ich konnte mich nicht wehren. Er hatte mich zusammengeschlagen. Ich verlor die Besinnung.«
    »Wer, Bettina? Wer?«
    »Karipuri. Er hat mich angesprungen, und ehe ich mich wehren konnte, war ich schon halb bewußtlos.«
    Haller beugte sich über Bettina, küßte ihre Augen, und als sie plötzlich die Arme um seinen Nacken schlang, küßte er auch ihren Mund.
    »Komm mit zurück nach Deutschland«, sagte sie und begann zu weinen. »Wenn sie mich am Montag abholen, bleib bei mir! Das hier ist die Hölle. Hier können wir nicht leben. Du auch nicht!«
    »O Betty, ich kann es sehr gut! Ich gehöre hierhin. Nongkai ist genau der Platz, der für mich geschaffen wurde.« Er richtete sich auf, löste ihre Arme von seinem Nacken und zog die Decke wieder bis zu ihrem Kinn. »Der Mensch hört nie auf, ein Träumer zu sein. Selbst ich nicht, ich alter Idiot. Das ist ein neues Fundament, habe ich gedacht, als ich Siri neben mir im Bett hatte. Mit dieser Liebe schaffe ich es! Und es sah auch so aus, trotz Taikky und Karipuri und ihrer genialen Schurkereien. Aber da hockt immer noch irgendwo ein bisher unbemerktes Teufelchen. Bei mir sitzt es im Gehirn. Ihr habt es alle nicht gemerkt, aber ich beginne, mich aufzulösen. Ich habe mich systematisch selbst zerstört. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit, Betty. Aber Zeit genug, Karipuri durch den Wolf zu drehen, habe ich noch.«
    »Du wirst ihm nichts nachweisen können. Er hat ja schon seinen Schuldigen.«
    »Ich weiß, Betty«, sagte Haller trocken.
    »Du weißt, wer es ist?«
    »Man hat ihn mir sofort nach meiner Rückkehr vorgestellt.«
    »Und wer soll für ihn büßen?«
    Haller erhob sich. »Ich! Mein Gott, Betty, bleib liegen! Sie warten ja nur darauf, daß du draußen erscheinst und ›Lüge! Lüge‹ schreist. Sie werden dich auslachen und mit Steinen bewerfen! Es ist alles so klug ausgedacht: Du nach Deutschland, ich an irgendeinen Baum, und man ist wieder unter sich. Wer will Karipuri anklagen? Womit? Vor wem? Die Entscheidung fällt gleich draußen vor der Tür, und niemand wird sich darum kümmern. Das gegenseitige Ausrotten ist immer noch das Lieblingsspiel der Menschen geblieben, und wenn man es mit intellektueller Freude betreibt, wird es sogar gesellschaftsfähig und bekommt bei wachsender Größenordnung so schöne Namen wie Wahrnehmung globaler Interessen, Sicherung von Ruhe und Frieden oder schlicht Krieg. Macht Karipuri etwas anderes? Er nimmt nur seine Interessen wahr.«
    »Und du willst jetzt hinaus und dich totschlagen lassen?« fragte sie.
    »Sie werden es nicht tun, Betty.«
    Er glaubte selbst nicht, was er sagte, aber es war gut, daß Bettina es zu glauben schien. Langsam, rückwärts gehend, näherte er sich der Tür. Ich werde sie einschließen, dachte er. Wenn sie merkt, daß dies unsere letzten Worte waren, wird sie gegen die Tür trommeln, schreien und all das Sinnlose tun, das man in solcher Lage vollführt. Sie muß durch diesen kurzen Schmerz hindurch, aber dann hat sie die reelle Chance, zu überleben. Ich werde das mit Taikky und Karipuri noch aushandeln, bevor ich mich ausliefere.
    »Bleib ganz ruhig, Betty«, sagte er an der Tür. »Versuch zu schlafen. Wer hat dich ärztlich versorgt?«
    »Dr. Butoryan. Er war rührend, er hat alles getan, was er tun konnte. Aber jetzt bist du ja da.«
    »Ja, jetzt bin ich da!« Haller drückte die Klinke herunter. Die Leere des Hospitals sprang ihn an. In einiger Entfernung hörte er Stimmengewirr. Die Henker waren schon im Haus. Schnell, damit es Bettina nicht hörte, zog er die Tür wieder zu. »Du brauchst keine Angst mehr zu haben, Betty«, sagte er, mehr zu sich selber. »Keine Angst.«
    »Als ich dich zum erstenmal sah, unrasiert, in deinem dreckigen Anzug, nach Fusel stinkend, da habe ich mich geschämt, daß so etwas Arzt und ein Landsmann ist. Das sollte der Engel von Nongkai sein? Auch das stieß mich ab: diese Gossensprache. Welch ein widerlicher Kerl, dachte ich. Und dann habe ich dich beobachtet und habe von Tag zu Tag mehr verstanden, warum du für diese Menschen hier ein Heiliger bist.« Sie lag jetzt halb auf der Seite, das blonde Haar bedeckte die tiefen Kratzwunden auf der Wange, nur die dicke Beule an der Stirn wölbte sich häßlich durch die Strähnen. »Wir haben nie Zeit gehabt, uns länger zu unterhalten«, sagte

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