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Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aufzuhängen, war ein Fehler. Los, sag es ihnen! Wenn ich gleich wieder herauskomme, ist meine stumme Zeit vorbei!«
    Er wollte in das Hospital, aber Pala hielt Dr. Haller am Ärmel fest. »Doc«, sagte er heiser. »Es steht keiner mehr hinter Ihnen. Sofort nach Ihrem Abflug nach Lashio hat Dr. Karipuri die Apotheke des Hospitals beschlagnahmt und die Behandlung der Leprösen mit Ihren Mitteln und nach Ihrem Plan weitergeführt. Die neuen Ärzte haben Tag und Nacht gearbeitet und allen erzählt, Sie seien kein Wunderheiler, sondern nur ein Schwätzer, der bei seiner Ankunft in Nongkai bereits gewußt habe, daß neue Mittel unterwegs seien. Taikky aber habe zu dieser Zeit noch keine Nachricht gehabt. Das sei Ihr ganzes Geheimnis gewesen: eine frühzeitige Information aus dem Ministerium.«
    »Und das glauben sie?«
    »Ja.« Pala senkte den Kopf. »Vergiß nicht, Doc … Karipuri hat jetzt die Verfügung über alle Medikamente – und jeder will weiterleben.«
    »Du wirst nicht zu ihnen zurückgehen«, sagte Siri. Es waren die ersten Worte, die sie sprach. Bis jetzt war sie ihm lautlos gefolgt, hatte vorhin stumm an seinem Hals gehangen, hatte ihn nur mit ihren großen schwarzen Augen angestarrt, als könne ihr Blick ihn aufschneiden und damit die volle Wahrheit erfahren. »Wenn sie dich nicht mehr haben wollen, sollen sie dich auch nicht mehr sehen.«
    »Ich kann mich nicht in Luft auflösen.«
    »Wir werden dich durch Manorons unterirdischen Gang in den Dschungel bringen.«
    »O nein, Siri! So nicht!« Haller schüttelte den Kopf. »Flüchten? Mich verstecken? Warum? Was habe ich getan? Erst schaffe ich Klarheit, was mit Bettina geschehen ist! Erst suche ich diesen Lumpen, der das getan hat! Und wenn ich jeden einzelnen auswringen muß.«
    »Dazu haben Sie keine Möglichkeit mehr, Doc. Begreifen Sie es doch!« Pala schloß hinter Siri und Haller die Tür. Sie standen jetzt in der großen leeren Diele. Dr. Haller stürzte auf eine Tür zu und riß sie auf. Saal II – leer. Saal III – leer. Saal I – leer.
    Er rannte herum – zum Labor, zum OP, zur Apotheke, zum septischen OP, zu den Schwesternzimmern. Alles leer, ausgeräumt, kahl.
    Hallers Schritte dröhnten durch das Haus, als er zurückkam in die Diele, wo Siri und Pala auf ihn warteten. Die Haare hingen ihm ins Gesicht, er hatte beim Laufen das Hemd bis zum Gürtel aufgeknöpft und wischte sich den Schweiß von der Brust.
    »Ist jetzt alles klar, Doc?« fragte Pala.
    »Wo sind die Kranken? Die Einrichtungen? Die Instrumente?« schrie Haller.
    »Alles in Karipuris neuen Hospital-Zelten. Wer konnte ihn hindern?«
    »Nur – nur Zimmer 5 ist belegt …«
    »Ja. Mit Schwester Bettina.«
    Dr. Haller schloß einen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete und tief durchgeatmet hatte, war der schreckliche Druck, der ihn gequält hatte, von ihm genommen. Nongkai sollte seine letzte Station sein. Mit diesem Gedanken war er in den Dschungel gekommen. Jetzt erschlug man ihn vielleicht mit Knüppeln, spießte ihn auf Bambuspfähle, richtete ihn hin, wie man die Brüder Khawsa enthauptet hatte, oder verbrannte ihn auf dem Marktplatz.
    Nongkai blieb die Endstation. Die Hoffnung, doch noch einmal ins Leben flüchten zu können, war eine Illusion geblieben.
    Ich bin ein Idiot, dachte Haller. Ich bekomme, was ich verdiene. Was will ich mehr?
    »Siri!« sagte er rauh. »Geh hinaus zu deinen Leuten.«
    »Nein. Ich bleibe bei dir, Chandra.«
    »Sie haben Bettina wie ein Stück Dreck behandelt. Sie werden dich mit Freudengeheul auseinanderreißen!« schrie Haller.
    »Das ist mir gleichgültig. Ich gehöre zu dir, Chandra.«
    Es hatte keinen Sinn, mit Siri noch weiter zu sprechen. Verzweifelt, mit einem deutlichen Flehen, sah Haller zu Pala hinüber. Der hob nur die Schultern und blickte dann weg. Die Liebe einer Frau gehört zum Leben eines Mannes. Das ist ein Schicksal, dem man nicht entrinnen kann.
    »Und du, Pala?« fragte Haller heiser.
    »Mir geschieht nichts, Doc. Ich bin abkommandiert, Ihnen das Hospital zu öffnen. Das ganze Haus ist umstellt. Nachdem Sie mit Schwester Bettina gesprochen haben, will man über Sie zu Gericht sitzen.«
    »Zu Gericht sitzen! Über mich!« Haller lachte rauh. Er lehnte sich an die Wand, holte eine Packung Zigaretten aus der Rocktasche und steckte sich eine an. »Ich habe eine Gerichtsverhandlung hinter mir … die erste und letzte in meinem Leben. Die kleinen Verhöre bei der Polizei, die Verurteilungen zu drei Tagen Haft wegen Störung

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