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Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der öffentlichen Ordnung durch Trunkenheit, meine Aufenthalte in den Ausnüchterungszellen, die Nächte auf den Polizeipritschen zähle ich nicht mit … die gehören zum Alltag. Aber das eine Mal, das war ein richtiger Prozeß. Mit Staatsanwälten – sie hatten gleich zwei aufgeboten – und Richtern und Geschworenen und Presse, Rundfunk, Fernsehen. Ein Schwurgerichtsprozeß, Pala … ein Mordprozeß wie aus dem Bilderbuch. Nicht fahrlässige Tötung, kein bedauerlicher Unglücksfall, nicht mal ein Totschlag … nein, man wollte den eleganten Dr. Haller fertigmachen! Damals, Pala, du wirst das nicht verstehen, hatte ich noch einen Glauben an die Gerechtigkeit. Ich hatte einen Fehler gemacht, ich wollte dafür geradestehen, mir war die Geliebte verblutet, aber bei uns Chirurgen sitzt dieses Gespenst des Todes durch die eigene Hand immer neben dem OP-Tisch, jeder Eingriff, selbst der kleinste, jedes Zahnziehen, jede Arbeit am menschlichen Körper enthält einen Gefahrenfaktor … aber mir war ein Mensch gestorben bei einem verbotenen Eingriff – das war unverzeihbar. Das war Mord, kaltblütiger Mord, wie der Staatsanwalt sagte. Ich wollte mich hinter einem chirurgischen Kunstfehler verstecken um mich auf elegante Art meiner lästigen Geliebten zu entledigen.« Er warf die Zigarette auf den Boden und trat sie aus. »Damals – Pala – als ich sah, wie man die Sache drehte, habe ich kapituliert«, sagte Haller dumpf. »Ich habe bis heute nicht begriffen, wie Dora Brander an einem einwandfreien Abortus sterben konnte. Ich war doch kein Anfänger oder Stümper. Junge, ich habe Operationen gemacht, über die man seitenlang berichtet hat. Filme hat man darüber gedreht! Und bei einer dämlichen Kürettage soll ich plötzlich wie eine verblödete Engelmacherin gearbeitet haben? Ich hatte drei Anwälte, alles Freunde, Waffenbrüder – was das ist, weißt du nicht, bei euch ist es nicht Sitte, sich aus Ehre die Fresse zerschlagen zu lassen – bei uns ist ein schöner, langer Durchzieher die beste Visitenkarte, die alle Tore zur guten Gesellschaft weit aufreißt – und die drei Anwälte plädierten wunderschön, gingen in Revision, ließen Sachverständige aufmarschieren, machten die Presse rebellisch wie damals Emile Zola bei dem unschuldigen Dreyfus. Es war umsonst, Pala. Ich hatte das Pech, ein zu erfolgreicher, zu eleganter Modearzt zu sein, auf dessen Fall eine Meute von Kollegen geradezu fiebernd wartete. Ich saß meine Jährchen ab – und jetzt soll ich vor das Volksgericht von Nongkai? Nein, Pala, geh hinaus und sag ihnen: Ich bin ihr Arzt. Und wer es fertigbringt, seinen Arzt zu erschlagen, der soll ins Hospital kommen und es tun! Ich erwarte ihn hier.« Er sah Siri an und versuchte zu lächeln. »Jetzt gehe ich zu Bettina. Kommst du mit, Siri?«
    »Geh allein, Chandra.« Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. »Ich will mit Pala hinausgehen und ihnen sagen, daß sie auch mich erschlagen müssen.«
    Das Zimmer war abgedunkelt. Die Klappläden waren zugehakt, die Übergardinen zugezogen. Bettina lag im Bett auf dem Rücken, die Hände flach auf der Decke. Sie hatte die Augen offen und sah Haller an, als er leise die Tür hinter sich zuzog.
    »Ich schlafe nicht«, sagte sie.
    »Betty!« Er setzte sich auf das Bett, nahm ihre kalten Hände und küßte sie. »Ich bin vor einer Stunde erst zurückgekommen. Mein Gott, erzähl mir nicht, wie es passiert ist. Das ist nicht so wichtig. Du bist keine Jungfrau mehr gewesen. Was man mit dir gemacht hat …«
    »Dein saumäßiger Charme hat dich nicht verlassen.« Sie lächelte schwach. Ihr Gesicht war eingefallen und bleich. An der linken Stirnseite wölbte sich eine große Beule, ihre rechte Wange war aufgerissen. Haller strich mit den Fingerspitzen über die Wunden, sie schloß die Augen, legte ihr Gesicht in seine Handfläche und atmete tief auf.
    Haller schlug die Decke zurück. Er schob Bettinas Schlafanzugjacke hoch und zog die Hose bis zu ihren Hüften hinab.
    Von den Brüsten bis zum Unterleib zogen sich blaublutige Male.
    Dr. Haller zog die Decke wieder über Bettinas Körper. Sein Gesicht war unbeweglich. »Einer?« fragte er heiser.
    »Ja.«
    »Hast du ihn erkannt?«
    »Ja. Er gab sich keine Mühe, unerkannt zu bleiben. ›Keiner wird es dir glauben‹, sagte er zu mir, ›selbst wenn man mich jetzt fotografieren würde! Aber wir werden einen Täter präsentieren, und der hat keine Chance mehr! Du wirst am Sonntag nach Rangun geflogen, das Ministerium wird sich

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