Engel des Todes Gesamtausgabe (German Edition)
seinen nackten Rücken knallen. Phillip fühlte nicht, wie seine weiße Haut platzte und das Blut ihm in kleinen Bächen den Rücken hinunterlief. Irgendwann nach einer wahren Prügelorgie begriff Phillips Mutter, dass es keinen Sinn hatte, weiter auf ihren Sohn einzuschlagen und zog ihn die Treppe hinunter und sperrte ihn in den Keller. Sie drehte die Glühlampe aus der Fassung und ließ ihn blutend zurück in der Dunkelheit.
Phillip saß auf der untersten Kellertreppe und trauerte um seine Freundin. Die Schläge, die er bekommen hatte, akzeptierte er als seine Bestrafung. Nicht weil er sich vom Balkon stürzen wollte, sondern dafür, dass er versagt hatte. Er würde weiterleben müssen. Er wollte nie mehr schwach sein. Schwäche ist was für Versager!
Weinen ist was für Versager! Schmerz fühlen ist was für Versager! Phillip kauerte auf den kalten Stufen und starrte in die Finsternis. Früher hatte er sich vor der Dunkelheit gefürchtet und niemals wäre er freiwillig in den dunklen Keller hinabgestiegen.
Doch an diesem Tag änderte sich alles. Er wollte sich nie wieder fürchten. Nichts sollte ihm mehr Angst machen. Das warme Blut lief ihm den Rücken hinunter und Phillip drehte seinen Arm nach hinten und streichelte mit seinen Fingerspitzen, über die blutigen Striemen, die der Gürtel hinterlassen hatte.
Ein brennender Schmerz durchzuckte ihn aber dieses Mal verzog er sein Gesicht nicht. Nein, er lächelte und tauchte seine Finger in das fließende Blut.
Er schrieb mit seinem eigen em Blut an die Kellerwand. Noch heute kann man das Wort noch schwach lesen. LIEBE. Phillip erwachte aus seiner Trance und schaute noch immer in das Schlafzimmer seiner Mutter.
Alles sah noch immer so aus wie damals. Nur die Fee war nicht mehr da und sie kehrte nie zurück. Phillip atmete tief durch und knipste das Licht wieder aus und schloss vorsichtig die Tür.
„Ich habe dich nie vergessen meine kleine Fee, verzeih mir, dass ich dich nicht festhalten konnte. Vergib mir.“
Kapitel 5
„Tut mir wirklich leid, dass du nicht länger hier bleiben kannst, aber wenn man meine Eltern gleich nach Hause kommen, dann dürfen sie dich hier nicht sehen. Ich bin mir sicher, dass sie dann gleich deine Eltern verständigen werden, dass du bei uns bist“, sagte Nancy und schaute Sara traurig an.
„Ich weiß, aber mach dir mal keine Gedanken, ich komme schon zu Recht, ich geh zu meinem Onkel und dann klärt sich alles. Der kümmert sich schon um mich“, erwiderte Sara und umarmte dabei ihre Freundin. Die Wirklichkeit sah anders aus, sie würde nicht zu ihrem Onkel gehen, der sie sofort wieder bei ihren Eltern abgeliefert hätte.
Sie wusste überhaupt nicht, wo sie hingehen sollte. Sie würde auf der Straße sitzen und auf ein Wunder hoffen müssen, dass ihr irgendetwas einfallen würde. Egal wie es auch weitergehen mochte, alles war besser, als zu Hause zu sein. Niemals wieder wollte sie zurück.
Nie mehr Schläge und nie mehr Erniedrigungen! Sie hatte was Besseres verdient, als so ein Leben, davon war sie überzeugt. Was immer auf der Straße auf sie wartete, konnte nicht schlimmer sein, als das was sie von ihren Eltern bekam.
„Ich hab dir noch eine Tafel Schokolade in deinen Rucksack gesteckt, damit du mir auf dem Weg zu deinem Onkel nicht verhungerst“, sagte ihre Freundin und zwinkerte Sara zu.
„Das ist lieb von dir, komm lass dich noch mal drücken.“
Die Freundinnen verabschiedet en sich und Sara öffnete die Tür und ging einer ungewissen Zukunft entgegen.
Sofort schlug ihr der ei sige Wind in ihr zartes Gesicht, Regen peitschte auf ihre Haut. Sie atmete tief ein und machte sich auf den Weg. Ohne Plan und ohne Gewissheit, wohin sie gehen sollte.
Die Kälte durchdrang ihre Glieder und zum ersten Mal, seit dem sie von zu Hause fort war, spürte sie noch etwas anderes in ihren Glieder.
***
Eine schleichende Angst vor der Zukunft machte sich, wie ein Gift in ihr breit. Phillip erwachte am frühen Morgen. Albträume hatten ihn gequält. Die ganze Nacht ließen sie ihn nicht in Frieden.
Immer wieder schreckte er hoch und musste seine Gedanken neu sortieren. Immer die gleichen Szenen. Das Krankenhaus, die krebskranke Mutter und das weiße Kopfkissen, das er in der Hand hielt, bevor sie starb. Er setzte sich aufrecht hin und stellte seine Füße auf den Boden, damit den Ellbogen auf den Knien stütze er seinen Kopf.
Die Gedanken gingen ihm nicht aus seinem Kopf. All die vielen Fragen. Hätte er anders handeln sollen?
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