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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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sich an, und es regnete immer noch. Wenn hin und wieder neue Gäste in die Bar kamen, sahen sie aus, als ob sie gerade in voller Montur dem Meer entstiegen wären.
    Nach einer Weile fiel mir einer der Gäste auf. Er war groß und schlank und setzte sich allein an einen Tisch im Hintergrund. Ich ertappte mich, wie ich den Mann durch den Spiegel hinter der Theke im Auge behielt. Die Beleuchtung im »Cambridge« war gedämpft bis zum Dämmerlicht, daher konnte ich sein Gesicht nicht richtig erkennen, aber ein Kribbeln unter der Kopfhaut sagte mir, dass er nicht zufällig so oft zu mir herüberschaute. Ich stand auf und machte einen unnötigen Gang zur Toilette, doch als ich am anderen Ende der Gaststube ankam, wandte sich der andere ab und starrte nach draußen in die Nacht.
    Auf der Toilette drehte ich den Wasserhahn auf und ließ das Wasser laufen, bis es kalt war, dann wusch ich mir das Gesicht. Ich spürte, dass irgendetwas nicht stimmte, wusste aber nicht genau, was ich tun sollte. Möglich, dass der andere bloß einen Fremden beobachtete. Vielleicht steckte aber auch mehr dahinter. An einer Seite des Toilettenraums befand sich ein schmales Fenster in der Wand, es gab aber nichts, um hinaufzuklettern, außer einem Waschbecken, das aber keinen stabilen Eindruck machte. Auch war es fraglich, ob ich mit meinen Schultern durch das Fenster käme.
    Ich sah keine andere Möglichkeit, als ihn zur Rede zu stellen, und das geschah am besten an einem öffentlichen Ort.
    Als ich von der Toilette zurückkam, saß niemand mehr am Tisch. Die Sängerin hatte jetzt eine weibliche Begleitung, deren Frisur noch schlimmer war. Ihre vereinten Stimmen ließen mir das Blut in den Adern gefrieren. Ich machte dem Barmann ein Zeichen, und der Wirt selbst brachte mir die Rechnung, die nicht annähernd so hoch war, wie ich erwartet hatte. Ich plauderte noch ein bisschen mit ihm und gab ihm ein hohes Trinkgeld. Mein Vater hat mich so erzogen.
    Draußen war es kälter, als ich gedacht hatte. Ich wollte schon auf dem Absatz umkehren und drinnen fragen, ob man mich adoptieren wolle oder ob ich an der Bar übernachten könne, aber wenn eine Tür hinter mir zu ist, habe ich nie den Eindruck, dass es ein Zurück gibt. Ich ging an der Schaufensterfront entlang die Straße hinunter. Weit und breit war niemand zu sehen. Ich hätte mit geschlossenen Augen rückwärts fahren können und hätte doch niemanden außer mich selbst in Gefahr gebracht.
    Ich brauchte ein, zwei Minuten, ehe mich ein unbehagliches Gefühl im Rücken vor etwas warnte.
    Ich blieb stehen und drehte mich um. Es war schwer, etwas zu erkennen, aber auf halbem Weg zur Bar stand jemand in einem Eingang. Ich konnte immer noch nicht sein Gesicht sehen. Auf jeden Fall bewegte er sich nicht, und in einer Nacht wie dieser trat keiner bloß zum Hinausschauen vor die Tür.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Keine Antwort. Ich steckte meine Hand in den Mantel und stellte fest, dass ich meine Waffe im Auto gelassen hatte. Natürlich, wer braucht schon eine Waffe in einem Städtchen wie Relent?
    »Wer hat Sie geschickt?«
    Der Mann trat vor und stand jetzt auf dem Bürgersteig. Er sagte etwas, was aber vom Regen verschluckt wurde.
    Ich war müde, betrunken und doch voller Angst. Alles sprach eigentlich dafür, dass ich kehrtmachte und mich verdrückte. Aber ich tat es nicht. Wenn sie mich hier aufgespürt hatten, dann konnten sie mich auch anderswo schnappen. So sah jetzt mein Leben aus. Es musste geschehen, hier oder anderswo, jetzt oder später. Plötzlich war ich mit allem konfrontiert, was ich nicht hatte und nicht wusste, und das machte mich schwindelig und innerlich kalt.
    Ich stürmte auf den Mann los.
    Er tat ein paar eilige Schritte zurück, doch nicht schnell und entschieden genug. Ich war auf ihm, noch ehe er begriff, wie ihm geschah, und schlug auf ihn ein. Eigentlich hätte ich aufhören sollen, er konnte ja Dinge wissen, die für mich nützlich gewesen wären, aber ich machte einfach weiter. Ich schlug und trat ihn, packte ihn am Kopf, zog ihn hoch und wollte dann so lange auf ihn einhämmern, bis er fertig wäre. Hinter mir waren Geräusche zu hören, die ich aber ignorierte. Erst als ich von hinten gepackt und weggezogen wurde, fiel mir ein, wie naiv es doch war zu glauben, sie hätten nur einen einzelnen Mann geschickt und nicht ein halbes Dutzend. Jetzt wunderte ich mich nur, dass keiner von ihnen auf mich schoss, um die Sache ein für alle Mal zu erledigen.
    Sie hielten mich an beiden

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