Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
Vom Netzwerk:
ein paar Klamotten von Bobby, die mir halbwegs passten, und mit einer kleinen Tasche, in der das Geld steckte. Ich hatte auch einen seiner Laptops mitgenommen, da mein eigener schon seit einer Weile im Leihhaus war. Schon fast auf der anderen Straßenseite, drehte ich mich noch einmal nach dem Haus um und fragte mich, wie lange es so unbewohnt bleiben würde, ohne Einbrecher anzulocken. Vielleicht ein paar Wochen. Solange die Rechnungen bezahlt würden und nichts von sich aus in Brand geriet, könnte es noch viel länger so dastehen. Wie viele solcher Wohnungen und Häuser gab es wohl im ganzen Land: ihre Bewohner verschwunden und die Maschinen weiter in Betrieb, tickend und summend, ohne dass sich jemand darum kümmerte.
    Danach schlug ich gerade an solchen Plätzen meine Zelte auf. Ab und zu griff ich in Bobbys schwarze Kasse und stieg in Häusern ab, die mich daran erinnerten, dass ich früher mal ein bürgerliches Leben gehabt hatte: in den Häusern großer Hotelketten in Citylage, wo man morgens bei der Rezeption anrufen musste, um sich zu vergewissern, in welchem Bundesstaat man nun eigentlich war. Ansonsten nahm ich mit dem vorlieb, was ich gerade fand. Motels mit vernagelten Fenstern draußen vor der Stadt; Büroblocks in Gewerbegebieten, deren Glasflächen grau geworden waren; alles, was irgendwie vergessen und verlassen aussah und wo ein Schild »Betreten verboten« hing, denn gewöhnlich gab es außer diesen beiden Wörtern nichts, was den Eintritt verwehrte, abgesehen von der Furcht, auf jemanden zu stoßen, der seinen Gelegenheitsschlafplatz mit Gewalt verteidigte. Da ich selbst zu diesen Leuten gehörte, schreckte mich diese Aussicht nicht über Gebühr. Es gab ein paar Zusammenstöße, doch gewöhnlich lassen sich Leute, die nichts haben, leicht einschüchtern, vorausgesetzt, man behält die Nerven und erweckt den Eindruck, irgendwie anders zu sein. Erstaunlich, wie viele leer stehende Häuser es in diesem Land gibt.
    John Zandt hatte die Ereignisse in The Halls ebenfalls überlebt. Er rief mich eines Nachts an, worauf wir dann gemeinsam nach Yakima fuhren. Unsere Freundin Nina schrieb für das FBI einen internen Bericht über unsere Ermittlungsergebnisse und benachrichtigte die Außenstelle in Yakima, doch schien der Bericht nicht über ihren Schreibtisch hinausgekommen zu sein.
    Da wurde uns klar, dass wir allein auf weiter Flur standen und dass die Verschwörung, die wir aufgedeckt hatten, über einen längeren Arm verfügte, als wir dachten.
    Darauf verließ mich der Mumm. Ich verlor immer mehr an Schwung, wurde langsamer und langsamer, bis ich schließlich in Relent landete. Ich hatte ein Handy, das nicht auf meinen Namen zugelassen war, ich benutzte den Computer eines toten Freundes und verfügte über eine schrumpfende Summe Bargeld aus schmutzigen Quellen. Meine Rippen taten mir immer noch von dem Messerstich eines Drogendealers weh.
    Meine Eltern wären bestimmt stolz auf mich gewesen.
     
    Schließlich verließ ich das verwaiste Restaurant und machte mich auf den Weg ins Zentrum von Relent. Die Verheißungen der Speisekarte hatten mich hungrig gemacht, und außer ein paar geriatrischen Dauerwürsten, von denen ich nicht einmal mehr wusste, wo ich sie gekauft hatte, waren meine Taschen leer. Ich entdeckte eine Bar mit dem Namen »Cambridge«, die von einem netten Ehepaar mittleren Alters geführt wurde. Die Speisekarte entsprach weniger meinem Geschmack als die im toten Restaurant, daher beschränkte ich mich auf Scotch und eine regionale Spezialität, eine Suppe, die aussah, als wäre sie aus den Wänden alter Gebäude geschwitzt, die aber nach drei, vier Löffeln ganz ordentlich schmeckte. Ich dachte schon daran, wieder zu gehen, aber draußen fing es an zu regnen. Der Regen trommelte gegen die Scheiben der Fensterfront, als ob jemand mit beiden Händen Kieselsteine dagegenwerfen würde. Also blieb ich auf meinem Hocker an der Theke sitzen und aß langsam, aber stetig eingelegte Oliven, bis mir die Galle aufstieß und meine Finger leicht grün geworden waren.
    Um neun Uhr war ich schon ziemlich betrunken. Eine Stunde später hatte sich mein Zustand nicht gebessert. Eine ernste junge Frau mit Kraushaar sang auf einer kleinen Bühne Lieder, deren Texte ich nicht mehr folgen konnte. Die Welt musste ihr wohl Unrecht getan haben, und ich fühlte bis zu einem gewissen Grad mit ihr, aber ihre Stimme bereitete mir Kopfschmerzen. Es wäre Zeit für einen Ortswechsel gewesen, aber kein anderer Ort bot

Weitere Kostenlose Bücher