Engel des Vergessens - Roman
Keuschler bereit zu helfen. Später, als spürbar wurde, dass es nur noch eine Frage von Monaten sei, bis das ›Dritte Reich‹ kapitulieren muss und die Partisanen als Teil der alliierten Verbände angesehen wurden, hätten auch die Partisanen nicht mehr um Unterstützung geworben, sie haben sie eingefordert und verlangt.
Wir mussten Listen führen, welchem Hof man wie viele Schweine oder Rinder abgenommen hatte, da nach dem Krieg die Menschen entschädigt werden sollten, erzählt Tonci. Manchmal sei den armen Keuschlern selber zu wenig zum Leben geblieben. Ihre Essensvorräte waren erschöpft. Er kenne Fälle, wo Familien Hunger litten, weil eine große, abgezehrte Partisaneneinheit in der Nähe der abgelegenen Hube lagerte. Allein, wie hätte es ohne die Landbevölkerung gehen sollen? Keine Partisanengruppe in Kärnten konnte ohne ihre Hilfe überleben. Woher die Verpflegung nehmen, woher die Informationen, sagt Tonci. Niemand sei mit einem Tross hinter den Kämpfern gereist, um sie zu verpflegen, niemand habe den Partisanen die Bunkerküchen nachgetragen. Die Verköstigung kam von der Bevölkerung, woher sonst. Man habe bei den so genannten Bettel-Patrouillen sehr vorsichtig sein müssen, um die Grenze des Zulässigen nicht zu überschreiten, sagt Tonci. Wie oft habe er gehofft, dass die Hilfspakete der Verbündeten, die auf befreitem Gebiet abgeworfen worden sind, nicht nur Waffen und Verbandszeug enthielten, sondern auch Nahrungsmittel, vor allem Nahrungsmittel. Die hätte man am dringendsten gebraucht. Meistens hielt man neue automatische Waffen in den Händen, mit denen man nicht umzugehen wusste, sagt Tonci. Auf dem Kurierstützpunkt, den Großvater geleitet hat, habe man regelmäßig den Rosenkranz gebetet, auch in Gegenwart der Politkommissare, sagt Tonci. Die politischen Köpfe haben gewusst, dass wir nicht nach Hause gehen konnten und dass niemand, der betete, eine Gefahr darstellte. Der Kommandant der ersten Kärntner Einheit, Franz Pasterk-Lenart aus dem Lobnik-Graben, sei, bevor er sich den Partisanen angeschlossen habe, zum Pfarrer Zechner gegangen, um ihn um Rat zu fragen, ob er aus der Wehrmacht desertieren solle. Er könne nicht mehr zurück, habe er gesagt, er könne diesen Krieg mit seinen Ansichten nicht mehr vereinbaren. Sie haben eine ganze Nacht in der Kirche gebetet, und in den Morgenstunden ist der Lenart zu den Partisanen gegangen. Als seine sterblichen Überreste aus Mežica nach Eisenkappel überführt worden sind, habe der Pfarrer an seinem Grab gesagt, dass mit Lenart einer der vorbildlichsten katholischen Männer aus dem Ort gefallen sei. Eine Gefahr für die Partisanen hätten vielmehr die unsicheren jungen Menschen bedeutet, nicht die gläubigen, sagt Tonci. Männer, die das Partisanenleben ausprobieren wollten, dann aber abgehauen sind, weil ihnen dieses elende Herumziehen zu hart geworden ist, weil sie Ungerechtigkeiten erlebten, harte Bestrafungen, weil ihnen alles zu gefährlich, zu mühsam, zu unerträglich geworden ist. Sie haben oft alles verraten, sind der Gestapo auf den Leim gegangen oder überhaupt von der Gestapo in die Partisaneneinheiten geschleust worden. Das hat viele Menschenleben gefordert, viel Unglück gebracht und das Misstrauen unter den Kämpfern genährt. Ein guter Partisan war ein Partisan aus Not, sagt Tonci, jemand, der keinen anderen Ausweg wusste, als in den Wald zu gehen, dem Verhaftung und KZ drohten, für den es keine andere Möglichkeit gegeben hat, als zu fliehen, weil er als Aktivist verraten worden war, weil er die Partisanen verpflegt hatte oder aus der Wehrmacht desertiert war. Die Deserteure aus der deutschen Wehrmacht seien die besten Kämpfer gewesen, an militärische Disziplin gewöhnt, sie kämpften ums eigene Überleben, für das Überleben ihrer Familien und hatten immer den letzten Schuss für sich parat, für den Fall, dass sie den Deutschen in die Hände fallen sollten. Die Politischen, die Gebildeten waren Partisanen aus Überzeugung und haben auch politische Funktionen gehabt, seien jedoch, was die Anzahl der Kämpfer betraf, in der Minderheit gewesen, sagt Tonci.
Vater erinnert sich, dass ihm Tine, den sie General nannten, beim Kovac in Ebriach erzählt habe, wie der Gašper, der Županc und der Žavcer in Kärnten nach Kommunisten gesucht hätten, ohne Erfolg. Bei einer Partisanenkonferenz sei dann festgestellt worden, wenn es zu wenig Kommunisten gebe, müsse man eben welche machen und ein paar Aktivisten und Kämpfer in die
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